Hotel Südwall: Billiger Sekt und Sehnsucht

Einmal im Monat agiert das Freispielensemble in Heeder auf Zuruf der Zuschauer. Ein anarchisches Vergnügen.

Hotel Südwall: Billiger Sekt und Sehnsucht
Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. Warum soll man Silvester erst Mitte Januar feiern? Weil es preisgünstiger ist, den vergangenen und zukünftigen Jahreswechsel mit einer großen Party zu feiern. Das finden die Bewohner des Hotels Südwall, einem äußerst schrägen Treffpunkt, wie ihn nur das Theater erfinden kann. Einmal im Monat lädt das Freispielensemble des Kresch-Theaters das Publikum ein, die improvisierte Fortsetzungsgeschichte des Hotel Südwall weiter zu führen.

Ein Spielleiter (Helmut Wenderoth) stellt den Kontakt zwischen Darstellern und Publikum her und sorgt dafür, dass nicht alles im Chaos endet. Obwohl das Stück für Jugendliche ab 14 Jahre geeignet ist, haben sich diesmal viele ältere Zuschauer auf den Spaß eingelassen, die verrückte Welt des Hotels zu beeinflussen.

So lassen Hotelinhaber Steffen Seeberg (Volker Diefes) und seine einzige, ständig über den Boden rutschende Angestellte Sasha Frank (Ilka Luza) gleich zu Beginn ihren Gefühlen freien Lauf. „Zehn verschiedene Gefühle in drei Minuten“. so lautet die Vorgabe des Spielleiters, das Publikum bestimmt sie. Das „ Krefelder Grundgefühl“ Verzweiflung ist dabei, aber auch Wut, Leidenschaft und Melancholie.

Während die beiden Darsteller alle Regungen intensiv ausleben, erscheint der erste geheimnisvolle Gast. Bernadette Wessler verkörpert zunächst den äußerlich eher unscheinbaren Engel, der Papst Franziskus persönlich kennt, im Hotel aber die Heizung reparieren möchte. Später kommt sie als abgetakelte Diva mit schwarzer Wuschelperücke wieder, die mit leicht brüchiger Stimme und Textlücken den Schlager „Zigeunerjunge“ präsentieren möchte.

In Partylaune und mit Glitzershirt gesellt sich mit Silvia Westenfelder ein weiterer Partygast dazu. Vergeblich wartet sie auf Freunde, mit denen sie feiern wollte, und tröstet sich an der Sektbar. Dem billigen serbischen Sekt spricht auch der smarte Herr König (Benedikt Hahn) so kräftig zu, dass er mit Sasha abwechselnd auf Serbisch und Deutsch flirtet. Der Zwischenruf „Switch!“ des Spielleiters genügt, und die beiden springen blitzartig zwischen Fantasieserbisch und Deutsch hin und her.

Nach der Pause geht die Party dann richtig los. Die Wünsche des Publikums „Saufgelage und viel Musik“ werden bestens umgesetzt. Unterstützt von der köstlichen Zweimann-Band Black and White trällert Diefes „Bel Ami“ und erinnert sich dabei an seine erste Liebe am Nordseestrand.

Ilka Luza singt einen Ringelnatzvers über Kühe gleich in drei Musikstilen: Heavy Metal, Gregorianisch und Funk. Gegen Ende soll sie dann ihr Lieblingslied verraten. Fast dreißig Sekunden lässt sie sich für die Antwort Zeit - laut Spielleiter die längste Pause auf einer Krefelder Bühne -, bevor sie mit dem Klassiker „All of Me“ für ein wunderbar beschwingtes Ende sorgt. Das Publikum ist begeistert von diesem Abend, an dem ein großartiges Ensemble Komik auf hohem Niveau bietet.

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