Interview Frank Meyer: „Glücklich finde ich das nicht“

Nachdem Krefelds Erdogan- Anhänger Sonntag das Referendum feierten, spricht OB Frank Meyer über Ditib, Verantwortung von Lokalpolitik, sozialdemokratische Türken und die AfD.

Interview: Frank Meyer: „Glücklich finde ich das nicht“
Foto: Archiv Andreas Bischof

Krefeld. Es gibt 16 200 türkischstämmige Krefelder, fast jeder zweite war wahlberechtigt fürs Referendum. Wie viele von ihnen tatsächlich abgestimmt haben, ist nicht bekannt. Aber: Gilt das Wahllokal im Düsseldorfer Konsulat als Maßstab, haben laut der regierungsnahen Zeitung Daily Sabah online bis zu 70 Prozent für Erdogans Präsidialsystem gestimmt.

Gefeiert wurde in Krefeld lautstark mit einem Autokorso, im Netz, auf den Straßen, beim Bäcker, überall wird in diesen Tagen über Integration diskutiert. Und während Essens OB Thomas Kufen (CDU) das „Evet“ von der Couch im demokratischen Deutschland aus als „preiswert und komfortabel“ bezeichnet, findet auch Krefelds OB Frank Meyer klare Worte.

Herr Meyer, Autokorso in der Südstadt für die Diktatur. Hat Krefeld in Punkto Integration versagt?

Frank Meyer: Es ist sicherlich problematisch, wenn eine große Mehrheit der türkeistämmigen Krefelderinnen und Krefelder einer Verfassungsänderung zustimmen, die von Prinzipien getragen wird, die unseren Vorstellungen von Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit widersprechen. Trotzdem ist es mir zu pauschal, von gescheiterter Integration zu sprechen. Man darf Integration nicht ausschließlich an politischen Einstellungen festmachen. Es gibt in Krefeld zahllose Beispiele für gelungene Integration, im Sport, in der Jugendarbeit, in den Betrieben, auch in den Nachbarschaften.

Trotzdem feiern Anhänger in 70 PKW am späten Abend den Sieg Erdogans mit einem viel kritisierten Hupkonzert.

Meyer: Glücklich finde ich das nicht, aber auch das sehe ich differenziert. Auf der einen Seite sind wir in Deutschland sehr stolz auf die freie Meinungsäußerung, dann müssen wir die eigene Liberalität auch aushalten. Ich persönlich finde es aber befremdlich, Hupkonzerte für politische Entscheidungen zu organisieren. Es ist ja nicht ein Sieg bei einer Fußball-Weltmeisterschaft oder eine sonstige sportliche Freudenbekundung. Es gibt auch diejenigen, die mit „Nein“ gestimmt haben. Da ist solch ein Korso nicht geeignet, vorhandene Gräben zuzuschütten.

Der Vorsitzende der Türkischen Union, Mesut Akdeniz, kann im WZ-Interview keine Gräben erkennen.

Meyer: Ich möchte mir nicht anmaßen, das besser zu wissen. Aber ich habe da persönlich einen anderen Eindruck und nehme durchaus politische Zerwürfnisse innerhalb der Krefelder Community wahr. Ich hoffe, auch das sagt Herr Akdeniz ja zur WZ, dass der anstehende Ramadan eine gute Gelegenheit ist, alle wieder an einen Tisch zu bringen.

Ist unsere Krefelder Kommunalpolitik in besonderem Maße gefordert?

Meyer: Das Verfassungsreferendum ist eine innere Angelegenheit der Türkei. Trotzdem wirkt sich diese Diskussion auch auf die hiesige Bevölkerung aus. Unter Freunden muss man durchaus in der Lage sein, unterschiedliche Auffassungen auszutragen. Das sollten wir gerade tun, wenn es um so hohe Güter wie unsere Vorstellungen von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit geht. Das geht natürlich auch die Kommunalpolitik an. Ich warne aber davor, nur mit dem erhobenen Zeigefinger auf die Menschen zuzugehen. Genau dies führt eher zu Abgrenzungen und dem Gefühl, dass man sich einseitig in deren Angelegenheiten einmischt. Wir sollten miteinander diskutieren. Beschimpfungen müssen aber in jedem Fall ausbleiben. Das gilt auch für völlig unangemessene Nazi-Vergleiche. Deshalb ist die ganze Gesellschaft gefordert, auch die kommunalpolitisch Aktiven.

Die türkischstämmigen Politiker im Besonderen?

Meyer: Alle, die einen guten Draht in die türkische Gemeinde haben. Ich finde es schwierig, Frau Özkurt und die Herren Cakir, Yilmaz oder Ertürk immer nur auf ihre türkische Herkunft zu reduzieren. Als Ratsmitglieder wurden sie in erster Linie für andere Aufgaben gewählt.

Diese schwierige Situation kommt den Kritikern des Moscheebaus gerade recht.

Meyer: Es gibt in Krefeld zum Glück eine überschaubare Gruppe von Menschen, die alles, was mit dem Islam zu tun hat, in den Verdacht von Staatsfeindlichkeit stellt.

Daran hat die Ditib in diesen Tagen einen nicht unerheblichen Anteil, oder?

Meyer: Ich verstehe das Misstrauen in Teilen der Bevölkerung. Die Spionagevorwürfe gegen den Verband müssen auf Bundesebene uneingeschränkt aufgeklärt werden. Mir sind aber auch die Akteure hier vor Ort sehr wichtig. Diese leisten mitunter seit Jahren wichtige Integrationsarbeit. Einige von ihnen kenne ich persönlich seit mehr als 20 Jahren, schätze sie und bin von deren Integrität völlig überzeugt.

Was ist also jetzt zu tun?

Meyer: Wir müssen weiter im Dialog bleiben und das Gespräch mit allen türkeistämmigen Gruppen suchen. Es gibt ja nicht nur die Ditib. Es gibt auch die Aleviten, Ekin, türkische Unternehmerverbände, die deutsch-türkische Gesellschaft in Krefeld und viele andere Gruppen, mit denen wir ebenfalls über unsere Stadt und was wir hier gemeinsam erreichen wollen, im Gespräch bleiben müssen.

Und was müssen türkischstämmige Krefelder tun?

Meyer: Viele engagieren sich bereits im Sport, für die Jugend, in der Kultur oder in den Betrieben. Deren Beispielen sollten möglichst viele folgen.

Ein Wort zur AfD, die versucht, Kapital aus der Situation zu schlagen.

Meyer: Die AfD ist ein kommunalpolitischer Scheinriese.

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