Duisburg: Die Loveparade-Katastrophe Loveparade: Gibt es doch Schuldige?

Jahrelang mussten Opfer der Katastrophe auf diesen Tag warten. Nun kommt es doch noch zu einem Strafprozess.

Duisburg: Die Loveparade-Katastrophe: Loveparade: Gibt es doch Schuldige?
Foto: dpa

Düsseldorf. Gabi Müller aus Hamm verlor bei der Duisburger Loveparade am 24. Juli 2010 ihren 25-jährigen Sohn Christian. Als wir die heute 59-Jährige vor einem Jahr in der Kanzlei ihres Düsseldorfer Rechtsanwalts Julius Reiter trafen, da hatte sie gerade den nächsten Schlag versetzt bekommen. Das Landgericht Duisburg hatte die Eröffnung eines Strafprozesses gegen die mutmaßlich für Planungsfehler Verantwortlichen abgelehnt.

Doch Müller gab nicht auf, startete eine Online-Petition und übergab drei Monate später 362 00 Unterschriften beim Oberlandesgericht Düsseldorf. Die Forderung der Unterzeichner: doch noch den Weg freizumachen für einen Strafprozess. „Dass es keine Verantwortlichen gibt, das kann und werde ich nicht akzeptieren“, sagte Müller verbittert.

Loveparade-Katastrophe: Lichtermeer erinnert an die Opfer
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Auf die Hunderttausenden Unterschriften geht Oberlandesgerichts-Präsidentin Anne-José Paulsen am Montag freilich nicht ein, als sie die Entscheidung des Gerichts bekannt gibt: dass es — ganz im Sinne von Gabi Müller — nun noch zum Strafprozess kommt. Paulsen stützt sich auf rechtliche Argumente. Sie erklärt in sperrigem Juristendeutsch, es „dränge sich nach dem Ermittlungsergebnis auf“, dass die den zehn Angeschuldigten vorgeworfenen Sorgfaltspflichtverletzungen ursächlich für die Todes- und Verletzungsfolgen bei den 21 im Gedrängel Getöteten und mehr als 650 Verletzten waren. Die den Angeklagten vorgeworfenen Taten seien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachweisbar.

„Hinreichender Tatverdacht“ — das ist die Voraussetzung dafür, dass ein Strafgericht eine von der Staatsanwaltschaft erhobene Anklage zulässt und das Hauptverfahren eröffnet. Diesen hinreichenden Tatverdacht hatte das Landgericht Duisburg im März 2016 noch abgelehnt, das Oberlandesgericht sieht ihn aber durchaus. Das bedeutet freilich noch keine sichere Verurteilung. Wohl aber, dass sich die Angeklagten in einer mündlichen Verhandlung verantworten müssen.

Richterin Paulsen erklärt, dass die Eröffnungsentscheidung über ein Strafverfahren eine Prognose-Entscheidung sei. Dabei gehe es um die Wahrscheinlichkeit einer Verurteilung. Da könne es naturgemäß unterschiedliche Bewertungen geben. Die Selbstkontrolle der Justiz gewährleiste jedoch, dass eine solche Entscheidung überprüft werden könne. Was hier ja auch dazu geführt habe, dass die ursprüngliche Entscheidung aufgehoben wurde.

Die Gerichtspräsidentin erklärt bei der eilig einberufenen Pressekonferenz, warum das ganze Verfahren sich so lange hingezogen hat. „Allein bei den staatsanwaltlichen Ermittlungen mussten mehrere tausend Zeugen vernommen werden, 900 Stunden Videomaterial wurden gesichtet, Zehntausende Seiten Aktenmaterial mussten nicht nur gelesen, sondern auch rechtlich bewerten werden.“

Und dann hängt die Gerichtspräsidentin noch eine persönliche Anmerkung an. Sie wisse, dass die bisherige juristische Aufarbeitung der Loveparade-Katastrophe für die Angehörigen der Opfer und die weiteren Opfer schwer belastend und teilweise schwer nachvollziehbar sei. Sie bitte aber um Verständnis für die „nicht immer sofort einleuchtenden Entscheidungen. Diese beruhen auf den Grundprinzipien unseres Rechtsstaates.“ Dazu zählten die Gewährung rechtlichen Gehörs für die Beschuldigten und die Einbindung der Nebenkläger. „Ich hoffe sehr, dass die Hauptverhandlung ihnen helfen kann, ihren Schmerz und ihre Trauer weiter zu verarbeiten“, fügt Paulsen noch hinzu.

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