Landtagswahl 17 Debat-O-Meter: Löhrmann und Pretzell fallen durch - Achtungserfolg für Piraten

Noten in Echtzeit gaben die Zuschauer der WDR-Wahlarena den Spitzenkandidaten der NRW-Parteien im Debat-O-Meter von Uni Freiburg und unserer Zeitung. Das konservativ-liberale Lager profitierte. Rechter und linker Rand schnitten schlecht ab.

 Der AfD-Spitzenkandidat Marcus Pretzell (ganz re.) geriet ins Schleudern, FDP-Spitzenkandiat Christian Lindner punktet mit Sympathie.

Der AfD-Spitzenkandidat Marcus Pretzell (ganz re.) geriet ins Schleudern, FDP-Spitzenkandiat Christian Lindner punktet mit Sympathie.

Foto: Herby Sachs/WDR/dpa

Köln. Es blieb gesittet in der WDR-Wahlarena: Am Donnerstagabend läuteten hier die Spitzenkandidaten von SPD, CDU, FDP, Grünen, Linke, Piraten und AfD den Endspurt im Wahlkampf ein. Noch-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und CDU-Herausforderer Armin Laschet gingen pfleglicher miteinander um als im ersten TV-Duell am Dienstag. Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne), FDP-Shootingstar Christian Lindner, die Linken-Spitzenfrau Özlem Demirel sowie Michele Marsching von den Piraten und Marcus Pretzell von der AfD nutzten die Bühne, um ein paar Kernbotschaften loszuwerden. Ob bei innerer Sicherheit (hier wurde es kurzzeitig zumindest etwas turbulent), Bildung, Betreuung oder Wirtschaft — Überraschungen gab es nicht. Ein bisschen hitzig wurde es erst gegen halb zehn.

Es war der Moment, als AfD-Mann Pretzell ins Schleudern geriet — und nicht erklären konnte, warum der Anschlag auf den BVB-Bus Staatsversagen sein soll. Das hatte er nach der Explosion in die Welt gesetzt. Sylvia Löhrmann verlangte eine Entschuldigung, während Pretzell sich zu der Aussage verstieg, Marine Le Pen würde am Sonntag Präsidentin von Frankreich. Da gab es sogar ein paar Buh-Rufe. Die folgende Debatte zur Integration blieb dann wieder eher ein Gedankenaustausch.

Auch in der Wahlarena konnten die Zuschauer im Debat-O-Meter die Kandidaten in Echtzeit bewerten. In dem Tool von Uni Freiburg und unserer Zeitung waren sekündliche Stimmabgaben möglich, jedes Argument konnte beurteilen, wer sich zuvor registriert hatte. Von ++ (sehr gut) bis - - (sehr negativ) reichte das Spektrum. Bis zu 500 Zuschauer nutzen die Gelegenheit. Am Dienstag hatten sich rund 800 Zuschauer beteiligt.

Vor der Debatte wurde die politische Grundhaltung abgefragt. Laut der Blitzauswertung der Politikwissenschaftler am Abend ergab sich ein ähnliches Bild der Teilnehmerschaft wie beim ersten Duell — obwohl knapp 67 Prozent behaupteten, da nicht mitgemacht zu haben. Beinahe 60 Prozent gaben an, unter 40 Jahre alt zu sein. Höhere Bildungsabschlüsse (Hochschule: 41 Prozent, Abitur: 28,1 Prozent) überwogen. Und auch diesmal waren die Teilnehmer überwiegend männlich (71,3 Prozent).

In der Vorbefragung zeigte sich ein Vorteil fürs konservativ-liberale Lager: Könnte man den Ministerpräsidenten direkt wählen, hätten sich 45,8 Prozent für Laschet entscheiden — und 20 Prozent für Christian Lindner. Hannelore Kraft wollten 17,5 Prozent wieder im Amt sehen. Ein ähnliches Bild ergab sich bei der Frage, welche Partei die Teilnehmer wählen würden, wäre die Wahl am Sonntag: 36,9 Prozent CDU, 15,3 Prozent FDP, die SPD käme auf 12,8 Prozent. 18,6 Prozent gaben an, noch unentschieden zu sein. Bei den Sympathiewerten lag Christian Lindner vorn — 31,4 Prozent fanden ihn am sympathischsten. Armin Laschet folgte mit 30,4 Prozent, Kraft kam auf 16,3 Prozent.

Ihren offenkundigen Sympathievorsprung konnten Laschet und Lindner auch in der Gesamtbewertung ihrer Auftritte nach der Debatte halten: Auf einer Skala von +2 (=sehr gut) bis -2 (=sehr schlecht) schnitt der FDP-Mann mit einem Wert von 0,96 am besten ab, gefolgt von Laschet mit 0,75. Alle übrigen Kandidaten landeten im Negativ-Bereich. Am schlechtesten kamen die rechten und linken Ränder weg: Marcus Pretzell (AfD) kam auf eine Gesamtbewertung von -1,2, Özlem Demirel von der Linken erreichte -0,98. Ministerpräsidentin Kraft kam auf beinahe neutrale -0,2.

Mehr Diskutanten in der Arena bedeuten natürlich auch weit mehr Daten im Debat-O-Meter, als dies in der ersten Runde der Spitzenkandidaten der Fall war. Betrachtet man die Ergebnisse aus der Vogelperspektive, ist festzuhalten, dass Pirat Michele Marsching bei der Bewertung während der Debatte erstaunlich gut abschnitt: Auf einer Skala von +2 (=positiv) bis -2 (=negativ) erhielt er für seine Argumente und Einlassungen die beinahe neutrale Bewertung von -0,28. "Angesichts der schlechten Ausgangslage ist das ein klarer Achtungserfolg", so Politikwissenschaftler Thomas Metz in seiner Analyse der Daten. Marsching konnte offenbar auch konservative Zuschauer für sich gewinnen - zumindest zum Teil.

Er landete zudem deutlich vor Ministerpräsidentin Kraft, die mit -0,72 relativ schlecht abschnitt. Schlusslichter wurden die Grünen-Frontfrau Sylvia Löhrmann und AfD-Vertreter Marcus Pretzell. Beide landeten bei -1,02.

Löhrmann wurde vor allem für den direkten Angriff aus Laschet schlecht bewertet ("Ich finde es, Herr Laschet, schon schäbig, wie Sie hier auf dem Rücken von Opfern (der Kölner Silvesternacht, d. Red.) Stimmung machen.") Pretzell bekam nicht nur für das Orakel zum bevorstehenden Wahlsieg Le Pens in Frankreich schlechte Kritiken. Auch seine Einlassungen zum Thema Betreuung ("Auseinanderreißen von Familien staatlicherseits") brachten ihm Negativ-Punkte ein.

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