Oper Rheinoper ist jetzt ein ‚Ring’-Institut

Opernregisseur Dietrich Hilsdorf spricht über seine Arbeit an Richard Wagners „Ring des Nibelungen“.

Oper: Rheinoper ist jetzt ein ‚Ring’-Institut
Foto: Susanne Diesner

Düsseldorf. Theater- und Opernregisseur Dietrich Hilsdorf hat eine Mammutaufgabe vor sich: An der Deutschen Oper am Rhein inszeniert er den kompletten „Ring des Nibelungen“ Richard Wagners. Das Bühnenwerk besteht aus vier Teilen und liegt laut Plan erst zu Beginn der übernächsten Spielzeit vollständig ausgestattet vor. Das Eröffnungs-Opus „Rheingold“ hat am 23. Juni Premiere.

Herr Hilsdorf, Sie sind bekennender Gegner opulenter Opern à la Strauss und Wagner. Warum schmieden Sie dann am „Ring“?

Dietrich Hilsdorf: Ich hatte schon zweimal ein Angebot, den „Ring“ zu inszenieren, und ich habe mich artig bedankt, aber ich wollte das nicht. Ich mag den Wagner nicht.

Aber Sie haben doch schon öfters etwas von Wagner inszeniert, nicht wahr?

Hilsdorf: In Wiesbaden den „Tristan“, in Köln den „Holländer“ und „Die Walküre“ in Essen im Rahmen des „Ring“-Projektes mit vier verschiedenen Regisseuren. Was ich zum Teil von Kollegen gesehen habe, hat mich umgestimmt, und ich dachte: „Ach, das würde ich jetzt doch machen.“

Jetzt sind Sie Wagner-Fan?

Hilsdorf: Nein gar nicht. Ich mag die Ideologie nicht. Wagners Frauenbild finde ich geradezu abstoßend. Und bei ihm ist alles determiniert: Das Orchester weiß schon immer alles, der Autor weiß mehr als die Figuren. So etwas finde ich als Lebensform reaktionär. Es gibt Menschen, die brauchen das. Ich will das nicht.

Und nun?

Hilsdorf: Mein Theater sieht so aus: Wo eine Ideologie auftaucht, muss Theater dagegen halten.

Wie das?

Hilsdorf: Ich habe in letzter Zeit viel Heine und Börne gelesen, um mich gegen Wagner zu immunisieren. Wagner setzt die Droge Musik ja sehr hinterhältig ein.

Dagegen wollen Sie nun angehen?

Hilsdorf: Wir widersprechen Wagner, aber so, als ob es von ihm selber wäre. Wir schauen genau rein in den Text, versuchen aber, der Ideologie und Determiniertheit nicht anheim zu fallen.

Lässt sich das an Ihrer Ausgestaltung der Figuren ablesen?

Hilsdorf: Wir haben uns gefragt: „Wer sind eigentlich die Rheintöchter?“ und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass das Frauen sind, die aus Kummer ins Wasser gegangen sind und sich nun an den Männern rächen. Über alle Figuren denken wir neu nach. Deswegen ist die Deutsche Oper am Rhein im Moment ein Institut zur Erforschung des „Rings“.

Spielt Wagners Klang-Regie für Sie eine Rolle?

Hilsdorf: Ja, und das fängt mit dem Klangraum an. Der braucht eine gewisse Größe und darf kein kleines Zimmerchen sein. Außerdem schaffen wir Momente, in denen man nur lauschen kann, was die Musik jetzt macht, ohne dass dauernd irgendwer umherläuft.

Manche Regisseure bringen solche Daueraktion auf die Bühne.

Hilsdorf: Die haben keine Ahnung von Musik. Ich habe zehn Jahre lang im Chor gesungen und habe ein Gefühl für den Rhythmus, auch für den optischen Rhythmus.

Was verstehen Sie darunter?

Hilsdorf: Nehmen wir als Beispiel eine Drehtür. Wenn jemand hindurch geht, muss sie eine Zeitlang schwingen. Wenn gleich einer entgegen kommt, funktioniert es nicht mehr. Solche Gesetzmäßigkeiten gibt es auch beim optischen Rhythmus auf der Bühne.

Sie blicken für Ihre Inszenierung ins 19. Jahrhundert. Wie konkret kann man Götter auftreten lassen?

Hilsdorf: Götter, die auf der Erde wandeln, sind ja immer ganz konkret. Selbst der Sohn Gottes auf der Erde ist ein Mensch, der sich um seine Mutter kümmert, und er ist ein Meister des Straßentheaters. Die Götter stehen ja bei Wagner — wie auch bei Offenbach — für bestimmte Unternehmer. Ganz so eindeutig zeigen wir das aber nicht. Wir haben vor, die Leute zu verzaubern.

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