Anschlagsplan in Düsseldorfs Altstadt — ein Angeklagter redet

Der Syrer Saleh A., der schon die Pläne über das geplante Massaker hatte auffliegen lassen, will vor Gericht als Kronzeuge aussagen.

Anschlagsplan in Düsseldorfs Altstadt — ein Angeklagter redet
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Düsseldorf. Das Szenario, das Tobias Engelstätter, der Vertreter der Anklage im Terror-Prozess vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf, da schildert, lässt einen schaudern. Der Bundesanwalt beschreibt den Plan, den die drei seit Mittwoch in mündlicher Hauptverhandlung angeklagten Männer im Auftrag der Dschihadisten-Miliz Islamischer Staat (IS) geschmiedet haben sollen. Zwei Gruppen, bestehend aus jeweils fünf Personen — je ein Selbstmordattentäter und vier Begleiter — hatten dies vor: Sie wollten sich im vergangenen Jahr an einem belebten Freitag- oder Samstagabend in der Düsseldorfer Altstadt an der Andreasstraße mit ihren Sprengwesten in die Luft jagen. Anschließend sollten weitere Attentäter an den Ausgängen der Altstadt im Bereich der Flinger Straße, der Mühlenstraße, der Heinrich-Heine-Allee und der Hunsrückenstraße möglichst viele in Panik flüchtende Passanten mit Gewehren erschießen.

Anschlagsplan in Düsseldorfs Altstadt — ein Angeklagter redet
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Drei der mutmaßlichen Anschlagsplaner im Alter von 26 bis 30 Jahren stehen nun vor Gericht. Zwei der Männer, das kündigten sie an, wollen keine Aussage machen. Nur einer redete am Mittwoch — am ersten Verhandlungstag im Hochsicherheitsgebäude des Düsseldorfer Oberlandesgerichts am Rande des ländlichen Stadtteils Hamm. Und das, obwohl von Seiten seiner Verteidiger bekannt geworden war, dass der in der Justizvollzugsanstalt Wuppertal einsitzende Syrer Saleh A. von Mithäftlingen bedroht worden sein soll. Wenn er aussage, werde seiner Tochter etwas passieren.

Diese dreieinhalbjährige Tochter ist laut Bundesanwalt Engelstätter ihrerseits der Grund dafür, dass sich Saleh A. selbst zum Kronzeugen machen will. Die Motivation dafür laut Engelstätter: „Er hat gesagt, er möchte nicht, dass seine Tochter einmal hört, dass ihr Vater ein Terrorist ist.“

Saleh A. hatte sich am 1. Februar 2016 der französischen Polizei in Paris gestellt, dieser von den Anschlagsplänen erzählt und war Ende September vergangenen Jahres an Deutschland ausgeliefert worden. Engelstätter sagte am Mittwoch in einer Verhandlungspause vor Journalisten: „Wir wissen, dass er sich aus freien Stücken entschieden hat, den ihm vom IS erteilten Auftrag eines Anschlags in der Düsseldorfer Altstadt zu begehen, nicht auszuführen. Die Pläne waren so konkret, dass der Anschlagsort und die Vorgehensweise ausgewählt waren.“

In der Verlesung der Anklageschrift hatte der Bundesanwalt zuvor ausführlich geschildert, wie die drei Angeklagten, ein Syrer, ein Algerier und ein Jordanier, vom IS als Auftragsmörder eingesetzt werden sollten.

Saleh A., ist nicht nur aussagebereiter Kronzeuge, sondern auch Hauptangeklagter. Ihm wird nämlich zudem ein Tötungsdelikt vorgeworfen. Er soll 2013 einen Soldaten, der zuvor seinen Bruder Mohammed erschossen hatte, mit zahlreichen Schüssen getötet haben.

Die Angeklagten — Saleh A. hat vorher nach eigener Darstellung für die freie syrische Armee gegen Syriens Machthaber gekämpft — seien schließlich von dem keine andere Oppositionsgruppe duldenden IS inhaftiert worden. Im Umerziehungslager habe es ein religiöses Training gegeben. Als es um die Umsetzung von Anschlagsplänen des IS im Ausland gegangen sei, sei Saleh A. schließlich für den Anschlag in Düsseldorf ausgesucht worden. Bei der Auswahl des Ortes könne es eine Rolle gespielt haben, dass ein IS-Mitglied früher mal in Bahnhofsnähe in Düsseldorf gewohnt habe.

Mit Hilfe eines Handgelds von je 5000 Euro seien die Kämpfer im Mai 2014 von Syrien aus losgeschickt worden. Über die Türkei, die griechische Insel Lesbos und dann über die Balkanroute bis nach Passau und von dort weiter. Vorher sollten sie aber in der Türkei zunächst für den IS Schleusungsrouten nach Europa ausfindig machen. Von Mitte bis Ende 2014 erkundeten sie Möglichkeiten zur illegalen Einreise, indem sie mehrere Flüchtlinge nach Europa schleusten. Zum Jahreswechsel nahmen Saleh A. und Hamza C. dann laut Anklage ihren ursprünglichen Auftrag wieder auf. Saleh A. kontaktierte seinen Auftraggeber in Syrien und erhielt von dort eine Anleitung zum Bau von Sprengsätzen.

In Deutschland soll Saleh A. dann ab 2015 weitere Einzelheiten zu dem geplanten Anschlag ausgearbeitet haben. Weitere mögliche Teilnehmer wurden angesprochen.

Zur Finanzierung des Anschlagsvorhabens, zum Kauf von Sprengstoff und Waffen, wollten Saleh A. und Hamza C. dem Vatikan ein Video mit einem Lebenszeichen eines vom „IS“ in Syrien entführten Priesters verkaufen. Ende Januar 2016 reisten Hamza C. und Saleh A. nach Paris. Dort beabsichtigten sie, bei einem Verbündeten Geld für ihre Weiterreise nach Rom zu erhalten. Doch in Frankreich stellte sich Saleh A. dann am 1. Februar 2016 der Polizei und ließ damit das ganze Vorhaben platzen.

Was ihn dazu bewegte, blieb am Mittwochz noch offen. Saleh A., der sich von seiner Aussagefreudigkeit wohl zu Recht einen Strafrabatt verspricht, kam am Mittwoch aber noch nicht dazu, zu erklären, was ihn wirklich zu seinem überraschenden Ausstieg aus den Plänen veranlasste. Die Vorsitzende Richterin Barbara Hawliza beschränkte sich am Mittwoch in einer mehr als zweistündigen Befragung darauf, den kleinen drahtigen Mann in seinem weißen Sport-T-Shirt über sein Leben auszufragen.

Simultan vom Dolmetscher übersetzt gab dieser bereitwillig Auskunft: Wie er, der Sohn eines syrischen Arztes und einer palästinensischen Apothekerin 1987 als eines von fünf Geschwistern im Sudan geboren wurde. Wie die Familie nach Gaza zog, wo er mit 17 Jahren das Abitur machte, bevor es seinen Vater und damit die ganze Familie in die syrische Heimat, nach Tabka, zog. Er erzählt von einer Familienfehde, in deren Verlauf ein Mensch getötet wurde und sodann er und 36 weitere Verdächtige für zwei Jahre in U-Haft mussten. Auf Nachfrage kommt er auch auf die Haftbedingungen zu sprechen. Erzählt von der zehn mal zehn Meter großen Zelle, die mit 30 Leuten belegt war. Und von verschiedenen Foltermethoden, die auch er habe erleiden müssen.

Als er schließlich freigesprochen wird, hat sich die Situation 2011 in Syrien zugespitzt. Er demonstriert gegen das korrupte Regime, schließt sich schließlich der freien syrischen Armee an, bewaffnet sich, um, wie er sagt, die friedlichen Demonstranten zu beschützten.

Kontakt habe er heute nur noch zu seinem jüngeren Bruder, der auch in Deutschland lebe, sagt er. Von seinen Eltern und auch von seiner Frau und der kleinen Tochter habe er schon lange nichts mehr gehört.

Wie das dann mit dem IS war, was er für die Organisation gemacht hat und warum er dann doch wieder ausstieg — all das könnte die heute vor dem Oberlandesgericht angesetzte Befragung von Saleh A. zur Sache ergeben.

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