Borussia Mönchengladbach Gladbachs Vestergaard und seine Wurzeln in Krefeld

Mönchengladbach. Skandinavier bei Borussia Mönchengladbach — das hat Tradition. Und es gab so manchen darunter, der bei Jubelorgien einen Wikingerhelm getragen und auch verdient hat.

 Jannik Vestergaard feiert im April den 2:3 Sieg über Köln.

Jannik Vestergaard feiert im April den 2:3 Sieg über Köln.

Foto: Federico Gambarini

Und dennoch sahen sie alle verkleidet damit aus. Sogar Patrik Andersson, Borussias und (später) FC Barcelonas ehemaliger Abwehrchef, von dem sein Trainer Bernd Krauss bewundernd bis ehrfürchtig behauptete: „Der besteht zu hundert Prozent aus Schwedenstahl!“

Bei Jannik Vestergaard ist das anders. Der Däne wirkt wie von der Leinwand gesprungen: So stellt sich der Actionfilmliebhaber einen kriegerischen Nordmann vor: ein 1,99-Meter-Riese, blond, mit finsterem Blick, das lange Haar wild im Gesicht und das Schwert in der Hand. Vestergaard aber hat sich nicht für eine Hollywood-, sondern bereits früh für eine Fußballprofikarriere entschieden, und ließ dafür sogar ein Jahr vor dem Abitur die Reifeprüfung sausen. Aber seine äußere Erscheinung schlägt auch beim ritualisierten Wettstreit durch. Und der Abwehrspieler weiß das.

„Ich denke, ich bin präsent und besitze eine kämpferische Ausstrahlung, und die ist nicht aufgesetzt.“ Damit fällt er nach den Stationen Hoffenheim und Werder Bremen besonders im Kreise der Mönchengladbacher auf. Die gelten landläufig, gerade auch bei Scharmützeln nach Fouls, eher als Chorknaben. „Chorknaben? Was ist das?“, fragt der 25-Jährige. Dabei spricht Vestergaard perfekt deutsch. Der überzeugte Kopenhagener ist zweisprachig aufgewachsen. Seine Mutter ist Deutsche, sein Vater Däne. Wiebke Vestergaard stammt aus Krefeld und hat mit Sprössling Jannik Deutsch gesprochen. Doch sein dänischer Wortschatz ist größer, und auch seine Liebe zum Heimatland.

Bewusst entschied er sich für eine Nationalmannschaftskarriere in Rot-Weiß statt Schwarz-Weiß. Heute ist er Stammspieler in der dänischen Nationalmannschaft und stolz darauf. Seine Biografie aber wartet angesichts seiner ausgeprägten nordmännischen Körperlichkeit und Ausstrahlung mit einem Paukenschlag auf. Seine Mutter ist Cellistin.

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„Unsere ganze Familie ist musikalisch“, erklärt Vestergaard schmunzelnd. „Ich bin der Einzige, der kein Instrument beherrscht und nicht singt. Ich bin das schwarze Schaf.“ Jannik allein gegen zwei Schwestern und Mama und Papa Vestergaard? „Nein, schwarzes Schaf habe ich mich getauft — meine Familie ist total fußballverrückt.“ Und auch der Fußballer Vestergaard „liebt die Musik“. „Klein“-Jannik aber fand sie eher langweilig und wollte früh nur noch Fußball spielen. Da brachen wohl seine Krefelder Gene durch: Hannes Schroers, sein Großvater, kickte einst für Bayer Uerdingen, Fortuna Düsseldorf und die U23 von West Ham United. Dessen Sohn Jan war Jugendnationalspieler, musste aber seine Karriere verletzungsbedingt abbrechen. Dafür macht sein Sprössling Mika aktuell als Torjäger bei Borussias U17 von sich reden.

Die Vorstellung, verspätet sein musikalisches Erbe zu entdecken, gefällt Jannik Vestergaard nicht so sehr. „Dazu hätte ich nicht die Geduld. Auch nicht zu akzeptieren, dass ich als Anfänger erst mal so schlecht wäre.“ Dabei hätte sich qua Körpergröße und (fast) in der Tradition seiner Mutter der Kontrabass angeboten. Den hätte er sogar im Sitzen spielen können, aber seine Wahl hätte noch schwerer gewogen: „Klavier würde ich gerne spielen können.“ Ein Saiteninstrument, das er immerhin auch im Sitzen spielen könnte.

Eine musikalisch-sportliche Familie also: Wenig überraschend ist da, dass Jannik Vestergaard auch unter seinen Haaren einiges zu bieten hat. Der Blondschopf liebt es, mit Antworten zu operieren, die nicht per se zu erwarten sind. Thema rheinisches Derby etwa, bei dem so manch beteiligter Profi emsig bemüht ist, Kredit bei den eigenen Fans aufzubauen. Auch Jannik Vestergaard weiß, wie wichtig diese inoffizielle, bilaterale Meisterschaft zwischen Borussia und dem 1. FC Köln ist. Aber er erlaubt es sich, quer- oder zumindest tieferzudenken statt populistisch möglichst viel Beifall einzuheimsen.

„Ich freu mich immer auf ein Derby, ich freu mich auch auf ein erstes Bundesligaspiel. Aber das Ergebnis kann ja wohl nicht wichtiger sein als die komplette Saison“, sagt der Verteidiger. „Wichtig ist zu gewinnen und die ganze Spielzeit erfolgreich zu bestreiten. Wir spielen doch nicht 34 Spiele, nur um in zwei Derby- Siege zu holen.“

Natürlich weiß Vestergaard, dass ein positiver Bundesliga-Auftakt Schwung verleihen, die Mannschaft weit in die Saison tragen kann, wie einst unter Lucien Favre nach einem Sieg über die Bayern. Doch noch tiefer sitzt bei ihm die Nüchternheit. „Durch einen Erfolg im ersten Spiel besitzt du keine Garantie auf eine gute Saison, genausowenig wie die Garantie, dass es schlecht läuft, wenn du den Auftakt verlierst.“

Besonders ist ein Derby allemal, und für Vestergaard die Erinnerung an das letzte besonders positiv besetzt. „Das hat Spaß gemacht!“ In Köln beim 3:2-Erfolg hat er im vergangenen Frühjahr das 1:0 erzielt. Standesgemäß per Kopf (inklusive Schulter). Ausgerechnet im Luftkampf mit Frederik Sörensen, seinem Abwehrkollegen aus der Nationalmannschaft. „Einen kleinen Spruch“ (Vestergaard) musste sich der FC-Abwehrspieler dann doch beim nächsten Treffen der dänischen Auswahl anhören. Davor schützten den Kölner auch nicht die Sympathien des Mönchengladbachers. „Wir sind Freunde“, erklärt Jannik Vestergaard. Eine Beziehung, die nicht ganz so tief geht wie die zum ehemaligen Gladbacher und Nationalteam-Kollegen Andreas Christensen, der zu Chelsea zurück musste. „Wir waren jeden Tag zusammen, sind durch die vielen Emotionen, durch die wir gegangen sind, zusammengewachsen.“

Von Christensens Antizipationsvermögen schwärmt selbst Vestergaard, Kumpel Sörensen bekommt aber auch noch genügend Lob ab. „Frederik ist ein guter, bescheidener Typ. Ein bisschen altmodisch: guter Kopfballspieler, immer eng am Mann und konzentriert. Unangenehm für jeden Stürmer“, sagt Gladbachs Däne. Und fügt nach grinsend hinzu — „ein bisschen ähnlich wie ich!“

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