Konsens im Landtag für die Abschaltung von Tihange 2

Mit Ausnahme der AfD sprechen sich alle Fraktionen für die Stilllegung des maroden Atomreaktors aus.

Dauerthema Tihange: der Düsseldorfer Landtag forderte am Mittwoch das aus des pannenanfälligen belgischen Reaktors Tihange 2. Nur die AfD und zwei vormalige AfD-fraktionsmitglieder zogen nicht mit. Foto: dpa

Dauerthema Tihange: der Düsseldorfer Landtag forderte am Mittwoch das aus des pannenanfälligen belgischen Reaktors Tihange 2. Nur die AfD und zwei vormalige AfD-fraktionsmitglieder zogen nicht mit. Foto: dpa

Foto: Rainer Jensen

Düsseldorf. Die Atommeiler Tihange 2 und Doel 3 sind wegen Tausender Haarrisse im Reaktordruckbehälter umstritten. Immer wieder kam es in den vergangenen Jahren zu beunruhigenden technischen Pannen. Wie groß die Verunsicherung und auch die Empörung über das Verhalten der verantwortlichen Betreibergesellschaft Engie-Electrabel ist, hatten erst im Juni gut 50.000 Demonstranten gezeigt, als sie mit einer rund 90 Kilometer langen Menschenkette ein starkes Zeichen für die Abschaltung der Anlage gesetzt hatten. Zu ihrer Befriedung dürfte kaum beigetragen haben, dass die Bevölkerung im Grenzland Aachen bereits mit Jodtabletten für den Ernstfall versorgt wurde.

Am MIttwoch beschäftigte sich im Düsseldorfer Landtag wieder einmal die Politik mit einem der nach Expertenmeinung größten Sorgenkinder unter den europäischen Atomkraftwerken. In einem gemeinsamen Eilantrag von CDU, FDP und Grünen hatten die beteiligten Fraktionen die Landesregierung aufgefordert, Druck auf Engie-Electrabel auszuüben, damit der Kraftwerksbetreiber endlich mehr Transparenz zulassen möge.

Auch die Bundesregierung solle sich stärker in die Debatte einschalten und an die belgische Regierung für eine Stilllegung appellieren, so der Antrag. Der CDU-Abgeordnete Thomas Schnelle, der seine erste Rede im Landesparlament hielt, warf dem Betreiber „mangelnde Verantwortung“ vor und forderte, dass alle sicherheitsrelevanten Unterlagen unabhängigen Gutachtern zur Verfügung gestellt werden sollten. Doch Electrabel wolle sich nicht in die Karten schauen lassen, schloss sich Werner Pfeil von der FDP an — man gewähre nur einem einzigen Gutachter hausintern Zugang zu den Unterlagen, der die Sicherheit der Meiler nach eigenen Kriterien prüfe. „Electrabel bestreitet die Risiken. Um so mehr müssen wir den Dialog mit dem Betreiber suchen und ein Signal der Geschlossenheit nach Belgien senden“, sagte Pfeil. Vor allem müssten die Netzverbindungen mit Belgien deutlich ausgebaut werden, um Tihange überflüssig zu machen.

Wibke Brems von der Grünen-Fraktion brachte in ihrem Beitrag große Skepsis gegenüber dem Betreiber zum Ausdruck — die Risse im Reaktordruckbehälter hätten die Verantwortlichen bereits vor über 40 Jahren in der Bauphase des Kernkraftwerks festgestellt und der Öffentlichkeit bewusst verschwiegen. „Die Pannenmeiler sind eine Gefahr für Millionen von Menschen, zumal die Abklingbecken nicht mit einem zusätzlichen Sicherheitsbehälter versehen sind. Über die terroristische Gefahr bei diesen Mängeln haben wir dann noch nicht einmal gesprochen.“

Der SPD, die sich bei dem Jamaika-Antrag enthielt und einen eigenen Entschließungsantrag zu dem Thema gestellt hatte, warf Brems derweil Eitelkeit vor: „Das sind unnötige Spielchen“, kritisierte die Grüne. Die Genossen setzten dabei stärker auf Dialog statt Druck — mit letzterem „erreicht man nichts, wenn die andere Seite nicht mitspielt“, konstatierte der SPD-Abgeordnete Karl Schultheis. Ganz anders sah das Christian Blex von der AfD-Fraktion, der den Christdemokraten vorwarf, sich „Hysterie und grüner Ideologie“ hinzugeben. Der Antrag sei überheblich, weil die nordrhein-westfälische Landespolitik „keine Hoheitsgewalt auf fremdem Staatsgebiet habe. „Sie treiben eine grüne Sau durch Aachen!“, sagte Blex.

NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart sieht die Handlungsmöglichkeiten der Politik auf deutscher Seite hingegen nicht ganz so schwarz: „Die Landesregierung wird ihre Einflussmöglichkeiten nutzen“, versprach der Liberale und plädierte dafür, auch den Bund, insbesondere Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), in die Debatte mit einzubeziehen. „Die Ängste der Bevölkerung müssen ernstgenommen werden“, forderte Pinkwart.

Die Grünen schlossen sich dem Entschließungsantrag der SPD an, während die AfD und die beiden nunmehr parteilosen Abgeordneten Markus Pretzell und Frank Neppe (vorher AfD) gegen beide Anträge stimmten.

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