Tragödie Tötete 81-jähriger Wuppertaler seine kranke Frau?

Wuppertal · Der Senior musste sich am Donnerstag wegen Totschlags vor dem Landgericht verantworten. Laut Staatsanwaltschaft soll er seine Ehefrau daran gehindert haben, den geplanten gemeinsamen Suizid abzubrechen.

Wuppertal. Seine Frau soll ihm einmal gesagt haben: „Ich möchte nicht mehr leben, tu mir etwas an.“ Ein 81-Jähriger musste sich am Donnerstag wegen Totschlags vor dem Landgericht Wuppertal verantworten. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass das Ehepaar einen gemeinsamen Suizid geplant hat, wobei der Angeklagte seine Frau gewaltsam daran gehindert haben soll, ihren Selbsttötungsversuch abzubrechen. Der Wuppertaler selbst überlebte weitere Suizidversuche und soll nun — wenn es nach der Staatsanwaltschaft geht — wegen Totschlags zu einer Haftstrafe von fünf Jahren und fünf Monaten verurteilt werden.

1964, nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes, habe das Unglück nach den Erzählungen des Angeklagten seinen Lauf genommen. Der Lithograf wurde eines Tages von der Arbeit nach Hause gerufen, weil seine Frau nackt auf die Straße zu laufen versuchte. „Sie sagte, dass sie Maria sei und ihr Sohn Jesus“, sagte am Donnerstag ein psychologischer Gutachter, der die tragische Geschichte der Eheleute nachzeichnete. In den kommenden Jahrzehnten bestimmte die psychische Erkrankung seiner Frau das Leben des Paares. Der Rentner soll deswegen immer unter Spannung gestanden haben und später selbst depressiv geworden sein. „Sie hat mich angesehen, als wenn ich der Teufel wäre“, sagte der Angeklagte dem Gutachter.

„Können wir jetzt nicht einfach umfallen?“

Die Frau verbrachte insgesamt viereinhalb Jahre in geschlossenen Einrichtungen, fing sich zwischendurch wieder, arbeitete — und wurde rückfällig. Immer wieder, so schildert es der Angeklagte, sei seine Frau mit ihrem Sterbewunsch an ihn herangetreten. „Einmal lagen wir uns in den Armen und sie sagte zu mir: ,Können wir jetzt nicht einfach umfallen?’“

Am 21. Februar 2015 kam die Manisch-Depressive für eine Testphase aus einer Klinik. Sie habe da wieder den Wunsch geäußert, sich von der Welt zu verabschieden. Der Mann besorgte Gasflasche, Mülltüten, Schnürgurte und eine Flasche Ouzo. Nach seinen Äußerungen sei man gegen 21 Uhr schweigend in den Wald gefahren, um sich gemeinsam umzubringen. Der Angeklagte erzählt den weiteren Verlauf so: Nachdem beide eine halbe Flasche des Schnapses getrunken haben, zogen sie sich die Mülltüten mit Schnürgürtel über den Kopf. Der Angeklagte habe lediglich den korrekten Ablauf überwacht. Als er zusätzlich die Gasflasche aufdrehte, sei seine Frau bereits an seiner Seite zusammengesackt. Danach habe er ein Blackout gehabt und sei am nächsten Morgen frierend im Auto aufgewacht.

Die Staatsanwaltschaft bestreitet diesen Ablauf: „Es kann nicht sein, dass die Frau einfach so verstarb.“ Ein Sachverständiger sagte vor Gericht aus, dass es fast unmöglich sei, sich auf diese Art selbst zu ersticken, ohne dass der Überlebensinstinkt einsetzt. Die Staatsanwaltschaft geht daher davon aus, dass der Mann seine Frau gewaltsam und über eine längere Zeit daran gehindert haben muss, sich die Tüte vom Kopf zu reißen. „Nur der Angeklagte hatte es in der Hand und hat den Tod herbeigeführt“, sagte die Staatsanwältin. Für eine gewaltsame Tötung sprechen auch Blutergüsse an Armen, Rücken und Auge des Opfers. Der eigene Suizid des damals 78-Jährigen mit Tüten, Gas und dem Trinken von Augentropfen schlug fehl.

Die Verteidigung wies auf die Tatsache hin, dass der Angeklagte die Tat womöglich durch den Alkohol zu einem Zeitpunkt beging, an dem er nicht mehr wusste, was er tat. „Dann wäre er freizusprechen.“ Würde das Gericht nicht davon ausgehen, sehe der Verteidiger aber immer noch einen minderschweren Fall und plädierte für eine Bewährungsstrafe. Das Urteil wird am Dienstag, 7. November, gesprochen.

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