Nordrhein-Westfalen Über 25 000 Wohnungslose in NRW - Frauen scheuen Notunterkünfte

Wohnungslos heißt nicht obdachlos. Aus Angst vor männlicher Gewalt in Notunterkünften suchen viele Frauen verzweifelt nach Alternativen - und zahlen auch dabei oft einen hohen Preis.

Symbolbild

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Foto: Bischof, Andreas (abi)

Düsseldorf. Die Zahl der wohnungslosen Menschen steigt in Nordrhein-Westfalen seit Jahren kontinuierlich. Seit 2011 hat sich die Zahl der gemeldeten Wohnungslosen hier um fast 60 Prozent auf über 25 000 erhöht. Das geht aus einem Bericht von NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) an den Düsseldorfer Landtag hervor.

Besonders problematisch ist die Lage demnach für Frauen: Die Hilfsangebote für Wohnungslose erreichen sie kaum, weil Frauen die männlich dominierten Notunterkünfte scheuen. Wie das Sozialministerium auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur in Düsseldorf mitteilte, gibt es in NRW inzwischen allerdings 70 von bundesweit 180 Diensten und Angeboten ausschließlich für Frauen.

Dennoch sei der Bedarf weiterhin groß, sagte Laumann der dpa. Die Angebote sind laut Wohnungslosenhilfe regional sehr ungleich verteilt: Unterkünfte, die sich speziell an Frauen richten, finden sich demnach vor allem in Großstädten - überwiegend im Ruhrgebiet und an der Rheinschiene.

„Im Bestreben nach einem gesicherten Schlafplatz gehen wohnungslose Frauen häufig Beziehungen ein, aus denen Abhängigkeitsverhältnisse resultieren, die oft von sexueller Gewalt, Angst und Stress geprägt sind“, heißt es in Laumanns Bericht.

Das Frauenforum im Kreis Unna betreibt eines der vom Land geförderten Projekte zur Unterstützung wohnungsloser Frauen. Geschäftsführerin Birgit Unger kennt die Problematik aus der Praxis. „Für Frauen aus den Frauenhäusern und diejenigen, die wir betreuen, wird es immer schwieriger, eine Wohnung zu finden“, berichtet sie. „Wir brauchen viel mehr Sozialwohnungen.“

Der Konkurrenzdruck auf dem angespannten Wohnungsmarkt sei nicht zuletzt auf die steigende Zahl anerkannter Asylbewerber zurückzuführen, bilanziert die aktuelle Sozialberichterstattung des Statistischen Landesamts. Dadurch seien im unteren Preissegment kaum bezahlbare Wohnungen zu finden.

Knapp 40 Prozent der gemeldeten Wohnungslosen in NRW sind Frauen. „Frauen versuchen allerdings mit vielen Mitteln, nicht als Wohnungslose identifiziert zu werden“, erläutert das Sozialministerium. „Sie versuchen meist sehr lange, sich ohne institutionelle Hilfe durchzuschlagen.“

Rund 44 Prozent der wohnungslosen Frauen kommen bei Bekannten unter - bei den Männern liegt dieser Anteil nur bei 33 Prozent. Nicht selten müssten Frauen einen Unterschlupf bei männlichen Bekannten allerdings mit sexuellen Dienstleistungen bezahlen, weiß Birgt Unger. Ohne jegliche Unterkunft, das heißt auf der Straße, lebt nur etwa jeder zwölfte Wohnungslose - bei den betroffenen Frauen etwa jede Siebzehnte.

Wachsende Wohnungslosigkeit sei ein bundesweites Problem, stellte Laumann fest. NRW sei das einzige Bundesland, das Projekte gegen Wohnungslosigkeit - und eine jährliche Statistik dazu - aus dem Landeshaushalt finanziere, obwohl dies eine kommunale Aufgabe sei.

„Die dafür veranschlagten Mittel von einer Million Euro jährlich sind gut ausgegebenes Geld. Das soll auch so bleiben.“ Um Wohnungslosigkeit schon im Ansatz zu vermeiden, sei es vor allem wichtig, in bezahlbaren Wohnraum zu investieren und die Menschen in Arbeit zu bringen, betonte er.

Das schon 1996 aufgelegte Landesprogramm gegen Wohnungslosigkeit setzt inzwischen verstärkt auf Prävention. Bei Miet- oder Stromschulden soll Mietern schnell geholfen werden, damit die Wohnung gar nicht erst gekündigt wird. Auch bei Entlassungen aus der Haft oder Therapien wird inzwischen nach Angaben des Sozialministeriums verschärft darauf geachtet, dass Betroffene nicht in die Wohnungslosigkeit entlassen werden.

Wenn es dennoch dazu komme, müssten Frauen aber mehr viel Hilfsangebote vorfinden, unterstrich Birgt Unger. Zu Wohnprojekten für Frauen gehöre auch qualifiziertes Personal für Sozialarbeit und Hauswirtschaft, um eine Brücke ins normale Leben zu bauen. „Man muss ihnen auch zeigen, dass Wohnungen geputzt werden müssen, wie man mit Geld umgeht und bei Behördengängen helfen.“

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