„Altersarmut hat spürbar zugenommen“

Dagmar Peetz arbeitet seit 26 Jahren als Schuldnerberaterin des DRK. Sie hat mehr als 2000 Hilfesuchende betreut. 2018 geht sie in Rente.

Wülfrath. Der schwerste Schritt für die Hilfesuchenden ist der erste über die Schwelle zur DRK-Schuldnerberatung. Dagmar Peetz, die seit 26 Jahren für das DRK als Schuldnerberaterin in Wülfrath arbeitet, weiß das natürlich: „Beim ersten Termin sind die meisten Leute sehr verunsichert, haben oft ein psychisches Tief“, sagt sie. Daher fährt Dagmar Peetz immer zweigleisig. Sie kümmert sich einerseits um die Finanzen und andererseits versucht sie, den Menschen zu helfen, neuen Lebensmut zu fassen. „Der Druck, ständig Schulden zu haben, macht krank“, so ihre Berufserfahrung.

Dabei kann es fast jeden erwischen. Arbeitslosigkeit, schwere Krankheit, Scheidung, kleine Rente, Niedriglohn — all dies sind Faktoren, die Menschen irgendwann in große finanzielle Schieflage bringen können. „Es ist nicht immer die Unwissenheit“, sagt Dagmar Peetz. Wenn zum Beispiel ein Ehepaar Kredite aufgenommen hat, die von dem vorher bestehenden Einkommen abgedeckt waren, können die Raten im Trennungsfall schnell den dann bestehenden finanziellen Rahmen sprengen. Gleiches gilt für schwere Erkrankungen, die — gerade bei kleineren Unternehmen — oftmals zu Kündigungen führen. Dass zum Beispiel Handyverträge gerade junge Menschen in Schwierigkeiten bringen können, glaubt Dagmar Peetz dagegen nicht. „Die Leute wissen nach 20 Jahren, was es kostet. Die meisten jungen Menschen, die zu mir kommen, haben Prepaidkarten.“

Dagmar Peetz, Schuldnerberaterin

Die Schuldnerberaterin hat in den vergangenen Jahren festgestellt, dass die Altersarmut „spürbar zugenommen hat“. Immer öfter kommen Rentner zu ihr, die nicht mehr klarkommen. „Wenn eine alleinstehende Person 830 Euro Rente bekommt, von denen 400 Euro Warmmiete plus Strom bezahlt werden müssen, bleibt zum Leben nicht viel übrig. Dennoch besteht bei dieser Größenordnung kein Anspruch auf ergänzende Leistungen“, beschreibt Dagmar Peetz das Dilemma. Nachsatz: „So ein Leben ist schon hart.“

Kleine Renten und Schulden führen schnell in einen Abwärtsstrudel. Dagmar Peetz erklärt den Hilfesuchenden deswegen auch immer die Rechtslage. Gläubiger können regelmäßig Gerichtsvollzieher schicken, Lohn- oder Rentenpfändungen versuchen. Natürlich hat auch der Schuldner Rechte. „Es hilft sehr, wenn sie wissen, dass sie zum Beispiel ein nichtpfändbares Einkommen haben. Dann trauen sie sich auch wieder, die Briefe zu öffnen“, sagt Dagmar Peetz.

Beim ersten Gesprächstermin prüft Dagmar Peetz die Unterlagen der Hilfesuchenden komplett. Wichtig: Droht zeitnah Unbill wie Stromabstellen oder der Besuch eines Gerichtsvollziehers? Auch in diesen Fällen kann die Schuldnerberaterin helfen. Dann geht es an die Bestandsaufnahme. Ein Haushaltsplan wird aufgestellt, die Fragen geklärt, was finanziell geht und wo die „Schwerlasten“ liegen, also wohin das meiste Geld fließt. Anschließend werden die Fixkosten zusammengerechnet. Über diese hinaus stehen alle Kosten auf dem Prüfstand. Eine immer von Dagmar Peetz gestellte Frage: „Rauchen Sie?“ In diesem Falle wäre ein Nein wohl die bessere Antwort. Dennoch wird kein Hilfesuchender je erleben, dass er sich Vorwürfen ausgesetzt sieht.

Zu den besonderen Angeboten für die Kinder der Hilfesuchenden zählt der Weihnachtstisch, den es bereits seit mehr als zehn Jahren gibt. Ab den Sommerferien werden gebrauchtes Spielzeug, Bücher und vieles mehr, das von Bürgern gespendet werden, gesammelt, um den Kindern ein schönes Weihnachtsfest zu ermöglichen. „Die Sachen dürfen natürlich nicht zerfleddert und müssen komplett sein“, sagt Dagmar Peetz. Bisher „ist es noch ein bisschen dünn“, meint sie und bittet um Spenden. Sie können montags bis donnerstags zwischen 9 Uhr und 12 Uhr an der Goethestraße 1 abgegeben werden.

So wichtig die Schuldnerberatung für die Betroffenen ist, Geld kann das DRK mit diesem Angebot nicht verdienen. „Die Schuldnerberatung ist ein Zuschussprojekt für das DRK“, sagt Dagmar Peetz, die mit Herz und Seele ihren Beruf ausübt und bisher mehr als 2000 Menschen betreut hat. „Ich helfe gerne“, sagt sie. Trotzdem ist im nächsten Jahr Schluss: „Ich gehe zum 1. August in Rente.“ Ab dem 1. Juli möchte sie ihren Nachfolger einarbeiten — den gibt es aber noch nicht. „Wir suchen zurzeit einen geeigneten Kandidaten“, so die Schuldnerberaterin. Wer Interesse hat, kann sich beim DRK im Internet melden. Dort stehen auch die Stellenanzeigen.

drk-wuelfath.de

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