Erst Dieselfahrverbot, dann kein Dieselfahrverbot: Die wundersame Wandlung der Bezirksregierung

Wie Dieselfahrverbote plötzlich ihre Bedeutung für die Einhaltung der NO2-Grenzwerte verlieren. Ein politisches Lehrstück.

Erst Dieselfahrverbot, dann kein Dieselfahrverbot: Die wundersame Wandlung der Bezirksregierung
Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. 46.000 Fahrten werden täglich auf der Düsseldorfer Corneliusstraße gezählt. Die Häuserflucht erlaubt keine ausreichende Durchlüftung. Als Folge schießen die Schadstoffkonzentrationen in Höhen wie kaum anderswo im Land. Fahrverbote für Dieselfahrzeuge werden daher in Düsseldorf nicht zu vermeiden sein. Zu dieser Einschätzung gelangten zumindest Regierungspräsidentin Birgitta Radermacher (CDU) und ihre Behördenexperten mit Blick auf den Luftreinhalteplan für die Landeshauptstadt.

Am Montag nun bekamen auch die 20 Partner der Projektgruppe (von der Stadt über Umweltverbände und Handwerkskammer bis zur Polizei und Vertretern der Landesministerien) aktuelle Zahlen des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) vorgestellt. Quintessenz: Ohne Einschnitte bei den Pkws lassen sich die Grenzwerte beispielsweise an der Corneliusstraße nicht einhalten. Das zumindest war die Lesart in Radermachers Behörde vor der Sitzung am Montag.

Denn diverse Maßnahmenpakete unter anderem zu den Bereichen öffentlicher Nahverkehr, Schifffahrt, Elektromobilität und Fahrradverkehr würden nach den Prognosen 2018 in Düsseldorf nur eine Absenkung der Stickstoffdioxid (NO2)-Belastungen von zusammen maximal fünf Mikrogramm pro Kubikmeter Luft bewirken. Dieselfahrverbote könnten dagegen eine Absenkung von bis zu neun Mikrogramm erreichen.

Die Düsseldorfer Corneliusstraße als am stärksten belastete Messstation im Regierungsbezirk lag aber 2016 mit 58 Mikrogramm im Jahresmittel 18 Mikrogramm über dem zulässigen Grenzwert. Das heißt: Selbst alle Maßnahmen zusammen würden noch keine Einhaltung garantieren. Trotzdem waren nach der Sitzung Fahrverbote plötzlich für die Bezirksregierung „keine zwingende Notwendigkeit“ mehr.

Denn sie stoßen auf massive Kritik. Nicht nur Bundes- und Landesregierung haben sich dagegen ausgesprochen. Auch Andreas Ehlert, Präsident der Handwerkskammer Düsseldorf, hält Fahrverbote für unverhältnismäßig. Eine Aussperrung von Dieselfahrzeugen werde es nicht geben können, „da nahezu der gesamte Liefer-, Bau-, und Monteursverkehr dieselbetrieben ist“. Ehlert bezeichnete Fahrverbote als „Kahlschlag-Lösung“, zumal es für Nutzfahrzeuge bestimmter Größen noch gar keine alternativen Antriebsformen gebe. Die Vollversammlung der Handwerkskammer hat daher gerade eine Resolution gegen Dieselfahrverbote verabschiedet.

Gleiches hatte die Vollversammlung der IHK Düsseldorf schon im Mai getan. „Fahrverbote für Dieselfahrzeuge bringen uns langfristig nicht weiter, ganz gleich, ob dies durch eine blaue Umweltplakette, generelle oder temporäre Fahrverbote realisiert werden soll“, erklärte Hauptgeschäftsführer Gregor Berghausen am Montag. Sie führten zu erheblichen Beeinträchtigungen im Wirtschaftsverkehr, bei Berufspendlern und Kunden. Luftreinhaltung müsse vielmehr regional geplant werden.

Schützenhilfe erhielt die IHK vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). „Es steht außer Frage, dass wir die Luftqualität in Düsseldorf und Umgebung weiter verbessern müssen. Aber unser erklärtes Ziel bleibt die Vermeidung von Dieselfahrverboten“, so Sigrid Wolf, DGB-Stadtverbandsvorsitzende in Düsseldorf. Beschäftigte, die auf den Pkw angewiesen seien, dürften finanziell nicht überfordert werden. „Wir brauchen für die Wirtschaft und die Arbeitnehmer verlässliche und langfristige Rahmenbedingungen. Ein Großteil der rund 300.000 Ein- und knapp 100.000 Auspendler wäre von einem Dieselfahrverbot betroffen.“

Die Stadt muss ihr Einvernehmen zu Verkehrsmaßnahmen wie dem Dieselfahrverbot erteilen. In der Düsseldorfer Verwaltung ist man der Ansicht, dass im Fall von Dieselfahrverboten die politischen Gremien über dieses Einvernehmen beschließen müssten.

Entscheidend für etwaige Fahrverbote ist ohnehin ein noch ausstehendes Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig. Es verhandelt am 22. Februar über die Frage, ob per Verkehrszeichen ausgesprochene Einfahrverbote rechtmäßig sind. Das Aufstellen der Verkehrszeichen ist Voraussetzung dafür, dass einzelne Kommunen Fahrverbote erteilen könnten.

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