Analyse AfD-Wahlkrimi: Für die Gemäßigten bleibt nur ein Trostpreis

Hannover (dpa) - Der AfD-Parteitag in Hannover plätschert stundenlang emotionslos vor sich hin. Es geht um Kleingedrucktes, um prozedurale Fragen. Dann kochen am Samstagabend die Gefühle hoch. Und die AfD macht ihrem Ruf als Überraschungspartei wieder einmal alle Ehre.

Analyse: AfD-Wahlkrimi: Für die Gemäßigten bleibt nur ein Trostpreis
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Am Ende stehen mit Jörg Meuthen und Alexander Gauland zwei Männer an der Spitze der Partei, die dem rechtsnationalen Flügel gewogen sind. Die Vertreter des gemäßigten Lagers rücken in die zweite Reihe. Die meisten Streitigkeiten und Rivalitäten werden diesmal in kleinen Kungelrunden ausgetragen.

Nur der Thüringer Rechtsaußen Björn Höcke greift frontal an. Als sich die Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Alice Weidel, am Sonntag um einen Posten als Beisitzerin im Bundesvorstand bewirbt, tritt Höcke ans Mikrofon: „Die AfD ist so ein bisschen kritisch, was Machtakkumulation angeht“, sagt er.

In den Reihen der Delegierten habe er schon den Begriff „verhinderte Sonnenkönigin“ gehört. Weidel hatte Anfang des Jahres für das immer noch nicht beschlossene Parteiausschlussverfahren gegen Höcke gestimmt. Sie zuckt kurz zusammen, pariert den Angriff relativ geschickt und wird mit 69 Prozent auf ihre alte Position gewählt.

Meuthens Wiederwahl zum Vorsitzenden geht relativ glatt durch - auch wenn rund ein Viertel der Delegierten gegen den amtierenden Parteichef stimmt. In seiner Bewerbungsrede feuert Meuthen eine verbale Breitseite gegen SPD und Grüne ab. Bei AfD-Parteitagen ist das immer ein Garant für donnernden Applaus. „Ich bin bürgerlich bis ins Mark. Und wenn die Roths und Stegners und wie diese ganzen bildungsfernen Deutschlandabschaffer auch alle heißen, das spießig finden, dann ist es mir auch ein Adelstitel ein Spießer zu sein“, sagt Meuthen.

Der Berliner Landesvorsitzende Georg Pazderski kandidiert - wie angekündigt - für den Posten des gleichberechtigten Co-Vorsitzenden. Da meldet sich eine Überraschungskandidatin. Doris von Sayn-Wittgenstein ist erst seit 2016 AfD-Mitglied. Jetzt will die schleswig-holsteinische Landeschefin Co-Vorsitzende werden. Die Frau mit dem blonden Zopf ist vielen unbekannt. Sie hält eine Rede voller Pathos, lobt die neue „patriotische Richtung“ der AfD.

Mitglieder aus Schleswig-Holstein fühlen sich überrumpelt. Sie wussten nichts von den Plänen dieser Frau, von der einige sagen: „Neben ihr wirkt Höcke liberal“. Nach zwei Wahlgängen ohne klare Mehrheitsverhältnisse zieht Sayn-Wittgenstein ihre Kandidatur zurück.

Manche fragen sich nun, ob die Überraschungskandidatin vielleicht nur als „Platzhalterin“ für den Vorsitzenden der Bundestagsfraktion, Alexander Gauland, angetreten ist. Er hatte sich eine Kandidatur gegen Pazderski bis zuletzt offengehalten.

Und dann tritt er in den Ring. Der 76-Jährige gilt als wichtigster Strippenzieher der Partei und schützende Hand über Höcke. Einen Nationalromantiker hat Gauland diesen einmal wohlwollend genannt. Gegen Gauland anzutreten - da rechnet sich Pazderski kaum Chancen aus und zieht seine Kandidatur zurück. Gauland wird dann ohne Gegenkandidaten gewählt.

Für das bürgerlich-gemäßigte Lager der AfD ist das eine herbe Niederlage. Einige Vertreter dieser Strömung, die durch den Abgang der früheren Parteichefin Frauke Petry schon geschwächt war, können ihre Enttäuschung kaum verbergen. „Das war eine Riesensauerei, darüber wird noch zu reden sein“, sagt eine, die Pazderski unterstützt hat. Doch niemand wagt es, das mächtige Spitzenduo Gauland/Meuthen offen zu kritisieren.

Beim rechtsnationalen Parteiflügel ist Pazderski nicht nur unbeliebt, weil er für das Parteiausschlussverfahren gegen den Thüringer Landtagsfraktionschef Höcke gestimmt hatte. Höcke und seinen Unterstützern gefällt auch nicht, dass Pazderski seine Berliner Fraktion als möglichen Partner für CDU und FDP positioniert. Pazderski hatte in einem Positionspapier erklärt: „Die Berliner AfD ist bereit, über Blau-Schwarz-Gelb als politisches Zukunftsmodell für unsere Stadt nachzudenken.“

Meuthen freut sich. Er scherzt, lacht. Dass ihn relativ viele Delegierte nicht mehr an der Spitze haben wollten, quittiert er mit einem Schulterzucken. Gegenstimmen seien völlig normal. „Wir sind ja nicht bei der SPD.“

Für Pazderski gibt es am Schluss noch einen Trostpreis. Er wird Partei-Vize, zusammen mit Albrecht Glaser und dem ehemaligen SPD-Mitglied Kay Gottschalk.

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