Lars Klingbeil soll die SPD jünger, weiblicher und digitaler machen

Lars Klingbeil soll als neuer Generalsekretär in den nächsten Jahren einen „Prozess der grundlegenden Erneuerung“ der SPD organisieren. Die Parteibasis wird künftig häufiger gefragt.

Lars Klingbeil soll die SPD jünger, weiblicher und digitaler machen
Foto: dpa

Berlin. „Weniger Breitbeinigkeit, eine andere Ansprache.“ Lars Klingbeil bekam am Freitag für diese Passage seiner Bewerbungsrede auf dem Berliner SPD-Parteitag den stärksten Beifall. Der 39-jährige Niedersachse soll als neuer Generalsekretär in den nächsten Jahren einen „Prozess der grundlegenden Erneuerung“ der Partei organisieren.

Dass er trotz vieler Vorschusslorbeeren nur mit 70,6 Prozent Zustimmung gewählt wurde, wurde in Vorstandskreisen allerdings mit Kopfschütteln registriert. 134 Delegierte stimmten mit Nein, 34 enthielten sich der Stimme. Damit straften die Delegierten, unter ihnen die Jusos, wahrscheinlich eher Klingbeils Person als seine Position ab: zu viel Niedersachsen, zu viel konservativer Seeheimer Kreis, zu viel Mann.

Der Gegenwind kam von den Frauen, die eine der ihren auf diesem Posten hatten sehen wollen, und aus dem linken Parteilager. Denn Klingbeil ist ein Schröder-Fan. Er startete seine Karriere als Berufspolitiker im Wahlkreisbüro des Altkanzlers. Gerhard Schröder trat dann auch im letzten Wahlkampf in Rotenburg/Wümme auf, um sein politisches Ziehkind zu unterstützen.

Klingbeil stammt aus einer Soldatenfamilie in Munster und steht offensiv zur Bundeswehr. Eine nach eigenen Worten friedensbewegte Delegierte aus Baden-Württemberg fragte kritisch, was es denn mit seiner Mitgliedschaft in der Lobbygruppe „Förderkreis Heer“ auf sich habe. Klingbeil zuckte keine Sekunde. Das sei ehrenamtlich, Teil seiner Arbeit im Verteidigungsausschuss, und im Übrigen habe er sich deshalb für nichts zu entschuldigen. Er habe oft genug an Trauerzeremonien für Gefallene teilgenommen. „Mir geht es darum, dass die Soldaten gut ausgerüstet sind, wenn sie in die Einsätze gehen.“

Der Mann mit den Grübchen, dem jugendlichen Lächeln und der sanften Stimme ist taffer, als er wirkt. Eine gewisse Durchsetzungskraft wird er auch brauchen, denn auf ihm ruhen die Hoffnungen für eine grundlegende Erneuerung der SPD. Ihre Inhalte, ihre Organisation, ihre Debattenkultur. Über einen entsprechenden Antrag berieten die Delegierten am Freitag auf dem Parteitag, es war, nach der am Vortag erfolgten Entscheidung über Koalitionsgespräche und der Wiederwahl des Vorsitzenden Martin Schulz, das wichtigste Thema des Treffens.

Neben einer ziemlich schonungslosen Analyse der Wahlniederlage („Uns wurde entweder nicht geglaubt oder keine Lösung zugetraut“) und dem Versuch, inhaltliche Schwerpunkte präziser zu fassen, enthält das Papier auch zahlreiche organisatorische Vorschläge. Nicht alle Veränderungen wurden schon detailliert festgelegt, denn dazu soll es zunächst einmal eine umfassende Mitgliederbefragung geben. Aber es wurden etliche Ziele genannt.

So sollen die Genossen künftig online stärker mitdiskutieren und mitbestimmen können. Dazu wird es eine eigene SPD-App geben. Weil Klingbeil zuletzt der Digital-Spezialist der Bundestagsfraktion war, verspricht sich Schulz, der ihn vorgeschlagen hatte, von ihm besonders viele Fortschritte.

Mehr Beteiligung der Basis durchzieht als Grundziel auch die weiteren Ideen. Das soll auch für „Personalentscheidungen auf Bundesebene“ gelten. Zur neuen Organisationskultur soll zudem die noch konsequentere Einhaltung der Frauenquote gehören, denn bei weiblichen Wählern hat die Partei besonders viel Rückhalt verloren. Außerdem im Osten. Deshalb soll ein Ost-Beauftragter ernannt werden. Überhaupt will man Regionen mit schwachen Mitgliederzahlen unterstützen.

Klingbeil hat sich einiges vorgenommen. „Ich stehe nicht dafür, dass es gemütlich wird in der Partei“, sagte er. „Der Umbau wird lange dauern und intensiv sein. Ich habe konkrete Vorstellungen, wie wir wieder stärker werden können.“ Drei Schwerpunkte hob er hervor: „Wir brauchen eine Stärkung unserer regionalen Strukturen, moderne Formen der Beteiligung und wir brauchen endlich wieder eine Besetzung der relevanten Zukunftsthemen.“

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