SPD-Bundesparteitag: Skurrile Auftritte und merkwürdige Wahlen

Trotz der knappsten und zukunftsorientiertesten Rede des Parteitags erhällt der neue SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil ohne Gegenkandidat nur 70,6 Prozent der Stimmen. Der Wuppertaler Bundestagsabgeordneter Helge Lindh sorgt für ein amüsiertes Auditorium.

SPD-Bundesparteitag: Skurrile Auftritte und merkwürdige Wahlen
Foto: dpa

Berlin. Er kann es nicht lassen. Martin Schulz kann nicht einfach etwas sagen — und gut ist. Jeden Kommentar, den es zu seinen Äußerungen gibt, muss auch er noch einmal kommentieren. Und so bleibt am Ende von Tag zwei des SPD-Bundesparteitags nicht einfach stehen: „Schulz fordert Vereinigte Staaten von Europa bis 2025“, sondern: „Schulz verteidigt seine Idee Vereinigter Staaten von Europa“.

Schon am ersten Parteitagstag glaubte Schulz, zusätzlich zu anderthalb Stunden Wiederwahl-Rede unbedingt vor dem Wahlgang noch auf Kommentare reagieren zu müssen. Am Freitag verteidigte er seine USE-Idee gegen Kritik aus der Union. Es gehe bei seinem Vorstoß nicht darum, die Nationalstaaten abzuschaffen, so Schulz, sondern die europäische Integration zu vertiefen. „Wir müssen wieder Leidenschaft für Europa entfachen“, so der SPD-Vorsitzende weiter.

Ansonsten war der Freitag der Tag der skurrilen Auftritte und unverständlichen Wahlergebnisse. Trotz der knappsten und zukunftsorientiertesten Rede des Parteitags erhielt der neue SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil ohne Gegenkandidat lediglich 404 Ja-Stimmen (70,6 Prozent).

Härter als Klingbeil, der auf ganzen fünf Seiten Redemanuskript mehr Zukunftsideen vorstellte als Martin Schulz am Freitag auf 70, traf es nur den Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz bei den Stellvertreter-Wahlen (59,2 Prozent), der sich in den vergangenen Wochen wohl etwas zu häufig als schlauster Sozialdemokrat nördlich der Wurm (Rur-Zufluss bei Würselen) präsentiert hatte.

Hätte der Heidelberger Abgeordnete Lothar Bindung (YouTube-Video hier: https://youtu.be/LNercjhFBUI) den Parteitag nicht mit einer Zollstock-Performance unterhalten, in der er anhand des Maßholzes den Unterschied zwischen „links blinken“ und „rechts abbiegen“ am Beispiel Rente erklärte, wäre der Comic-Preis des Tages an den Wuppertaler Bundestagsabgeordneten Helge Lindh gegangen. Nun gehören sich Witze über das Äußere eines Politikers nicht, aber man kann Delegierten schlecht das Lachen verbieten, wenn ein schlaksiger junger Mann mit übergroßer Brille zum Rednerpult tapst, staunend feststellt, dass die Uhr nicht läuft, und freimütig erklärt, er könnte eigentlich auch zu einem ganz anderen Tagesordnungspunkt sprechen.

Lindh berichtete einem amüsierten Auditorium, dass ihn „heiliger Zorn“ erfasse, er „mit jeder Faser meines Körpers“ brenne, und sie-wir-ihr-alle auf den Schultern von Riesinnen und Riesen — nein, nicht stünden, sondern säßen. Als Lindh ohne irgendeine antragsrelevante Äußerung geendet hatte, erklärte Heiko Maas als Tagungspräsident mit ungerührter Miene, dann könne man nun wohl auch ohne heiligen Zorn zur Abstimmung schreiten, was eine Lachsalve auslöste. Unbeteiligte mutmaßten bereits am Vortag, bei Lindh handele es sich um ein Radio-Comic seines Heimatsenders „Radio Wuppertal“.

Den Nachmittag verbrachten die Genossen vor allem mit weiteren Wahlen. Dem vergrößerten Parteivorstand gehören unverändert die NRW-Spitze mit Mike Groschek (Vorsitzender) und Svenja Schulze (Generalsekretärin) an. Der Parteitag wird am Samstag mit den letzten Tagesordnungspunkten abgeschlossen.

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