Abriss für Braunkohle: Das Vermächtnis des „Immerather Doms“

Taufe, Hochzeit, Beerdigung - der „Immerather Dom“ hat die Menschen durchs Leben begleitet. Jetzt verschwindet das Wahrzeichen für die Braunkohle. Aber es gibt eine Art Vermächtnis.

 Abrissbagger stehen vor dem Rest des „Immerather Doms“. Das frühere Kirchengebäude der katholische Pfarre St. Lambertus ist seit 2013 entwidmet und damit kein Gotteshaus mehr.

Abrissbagger stehen vor dem Rest des „Immerather Doms“. Das frühere Kirchengebäude der katholische Pfarre St. Lambertus ist seit 2013 entwidmet und damit kein Gotteshaus mehr.

Foto: Arnulf Stoffel

Erkelenz. Es ist früh an diesem Montagmorgen. Aber selbst im schummrigen Schein von Straßenlaternen entfaltet die Basilika in dem Erkelenzer Dorf Immerath mit aller Macht ihre Wirkung: ein beachtlicher dreischiffiger Kirchenbau, neuromanisch, mit zwei Türmen und mächtigem Portal. Wie für die Ewigkeit gebaut. Seit Jahren steht fest, dass die gedachte Ewigkeit ein Ende hat, dass der „Immerather Dom“ für den Braunkohletagebau Garzweiler abgerissen wird. Für die Braunkohle, die darunter liegt. Um 09.00 Uhr sollen die Bagger am Montag mit ihrem Job beginnen und den Dom in den nächsten zwei Wochen abräumen.

Abriss für Braunkohle: Das Vermächtnis des „Immerather Doms“
Foto: Henning Kaiser

Doch es kommt anders. Am Ende machen zwar die Bagger ihren Job und beginnen mit dem Abriss, aber mit rund fünf Stunden Verspätung. Greenpeace-Sprecherin Anike Peters verbindet den „Immerather Dom“ mit einer Art Vermächtnis: „Es darf kein weiteres Dorf, keine Kirche und kein Wald geopfert werden.“

Abriss für Braunkohle: Das Vermächtnis des „Immerather Doms“
Foto: Henning Kaiser/dpa
Abriss des „Immerather Doms“
18 Bilder

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Die Aktion „Immerather Dom“ beginnt frühen Morgen. Rund 40 Greenpeace-Aktivisten laufen über die matschigen Felder und auf die umzäunte Basilika zu. Sie werden empfangen von Hundegebell. Polizisten sprechen den Aktivisten unmissverständlich ein Platzverbot aus und bringen sie hinter eine Absperrung. In dem Gewusel schaffen es drei Aktivisten in voller Klettermontur irgendwie in das mächtige und unübersichtliche Gebäude, sie seilen sich draußen ab und entfalten über dem Portal ein Banner: „Wer Kultur zerstört, zerstört auch Menschen“, steht drauf. Drei Aktivisten ketten sich an dem Bagger fest, der zum Abriss bereitsteht. Es ist kalt, es geht ein eisiger Wind.

Trotzdem dauert die Aktion Stunden. Niemand will eskalieren. Nicht die Polizei: „Wir versuchen, mit den beteiligten Parteien über eine friedliche Lösung zu sprechen“. Nicht RWE Power: „Wenn die weg sind, beginnen wir, die Kirche abzutragen.“ Nicht die Aktivisten, die nach außen hin unaufgeregt ihr Ding durchziehen.

„Das kommt doch jetzt alles zu spät“, sagt Christel Smilowski. Ihre Augen strahlen tiefe Traurigkeit aus. Obwohl sie schon vor zehn Jahren weggezogen ist. Zwangsumsiedlung nennen das hier viele. Aber der „Immerather Dom“, das ist ihre Familie, ihr Leben: Taufen, Hochzeiten, Beerdigungen - Kinder, Enkel, Tanten sie selbst. Von der Wiege bis zur Bahre - alle wichtigen Erlebnisse in ihrem Leben sind mit dem „Immerather Dom“ verbunden.

Jetzt also das Ende. „Es ist ein trauriger Tag. Jetzt muss man das zu Ende bringen und sich das anschauen. Vielleicht begreift man das dann besser“, sagt sie und schaut Richtung Dom.

An dem Absperrzaun davor legen Menschen wie an einer Gedenkstätte Blumen nieder, hängen Fotos von der Basilika aus besseren Tagen auf - Kränzen mit Trauerschleifen. „Wir erklären uns solidarisch“, sagt Elmar Aretz von der Bürgerinitiative „Kreativ gegen Kohle“. dpa

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