Analyse Müssen sich Ärzte Noten im Internet gefallen lassen?

Eine Kölner Hautärztin klagt vor dem Bundesgerichtshof: Kollegen, die Werbung schalten, würden besser gestellt.

Die Kölner Hautärztin Astrid Eichhorn wehrt sich gegen das Ärztebewertungsportal Jameda.

Die Kölner Hautärztin Astrid Eichhorn wehrt sich gegen das Ärztebewertungsportal Jameda.

Foto: Anika von Greve-Dierfeld

Düsseldorf. Schon früher hatte sich die Kölner Hautärztin Astrid Eichhorn mit dem Arztbewertungsportal Jameda gestritten. Sie beanstandete 17 dort abrufbare Bewertungen. Ergebnis: Ihr Notenschnitt stieg von 4,7 auf 1,5. Aber die Ärztin will mehr: sie will gar nicht mehr auf der Internetplattform bewertet werden. Darüber streitet sie vor dem Bundesgerichtshof (BGH), der gestern verhandelte und sein Urteil bald sprechen wird.

Auf den ersten Blick hat die Hautärztin keine guten Aussichten. Denn bislang hat der BGH in anderen Fällen durchweg zugunsten des Portals geurteilt. Im Juli 2014 scheiterte ein Arzt mit seiner Klage, den Namen des Verfassers einer Negativ-Bewertung herauszurücken, um diesen direkt wegen Rufschädigung zu verklagen. Und im September 2014 blitzte ein Mediziner beim BGH mit dem Wunsch ab, sein Profil in dem Portal zu löschen. Der BGH betonte das „berechtigte Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über ärztliche Leistungen“.

Hautärztin Eichhorn lässt sich davon nicht entmutigen. Sie betont die bislang rechtlich nicht berücksichtigte Tatsache, dass Ärzte auf Jameda kostenpflichtig für sich Werbung machen können. Das Portal bietet Ärzten nämlich Pakete zum Preis von monatlich 59 bis 139 Euro. Je nach Beitrag können Mediziner als Silber-, Gold- oder Platinkunde ihr Foto nebst Text mit Eigenwerbung in ihr Profil einstellen. Bei Ärzten, die nicht zahlen, sind nur die Basisdaten nebst Schattenbild zu sehen.

Bei Hautärztin Eichhorn wie bei anderen Nicht-Zahlern führt das dazu, dass das Portal zu ihrem Profil Werbeanzeigen anderer — zahlender — Ärzte in ihrer Nähe einblendet. So wird der Nutzer auf deren Seiten aufmerksam. „Patienten werden gezielt von meiner Mandantin weggelockt“, sagt Eichhorns Anwältin Anja Wilkat. Geht man hingegen auf das Profil eines zahlenden Kunden, so ist dieser vor Anzeigen der Konkurrenz geschützt — der Patient sieht nur das Profil des zahlenden Kunden. Liegt darin ein subtiler Druck auf die Ärzte, selbst ein Werbepaket beim Portalbetreiber zu erwerben?



Die Wochenzeitung „Die Zeit“ hat soeben eine Stichprobe von 6500 Ärzten auf Jameda analysiert. Einige der Ergebnisse: Die Durchschnittsnote der Ärzte, die Jameda Geld zahlen, liegt in der Stichprobe bei 1,2, jene der Nicht-Zahler aber nur bei 1,7. Weil Patienten überwiegend Einsen verteilten, seien Einser-Schnitte auf Jameda üblich. Mit einer 1,7 lande ein Arzt daher im hinteren Mittelfeld. Jeder vierte nicht zahlende Arzt habe sogar eine Durchschnittsnote zwischen 2 und 4, während kaum ein zahlender Arzt unter 2 lande.

Weiteres Ergebnis der Analyse: Zahlende Ärzte haben durchschnittlich 46, nicht zahlende aber nur 14 Bewertungen. Was daran liegen könnte, dass zahlende Ärzte schon wegen ihres Profilfotos mehr auffallen. Die häufigere Bewertung hat Folgen: Weil Patienten meist die Note Eins vergeben, pendle sich der Schnitt bei häufig bewerteten Ärzten oft im Einser-Bereich ein. Wer nur wenige Bewertungen hat, dessen Durchschnitt könne durch eine einzige schlechte Note nach unten gezogen werden.

Hier könne es, so die Analyse der „Zeit“, eine Rolle spielen, ob ein Arzt zahlender Kunde des Portals ist oder nicht. Denn ist ein Arzt mit einer Bewertung nicht einverstanden, kann er protestieren, gegebenenfalls wird sie gelöscht. So könne es sein, dass zahlende Ärzte, die das Portal intensiver wahrnehmen, Negativ-Bewertungen eher melden. Nicht-Zahler hingegen bemerkten diese vielleicht gar nicht.

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