Einigung von Union und SPD Ökonomen und Wirtschaftsvertreter über den Koalitionsvertrag

Frankfurt/Main (dpa) - Das sagen Wirtschaftsvertreter und Ökonomen zur Einigung zwischen Union und SPD auf einen Koalitionsvertrag:

Einigung von Union und SPD: Ökonomen und Wirtschaftsvertreter über den Koalitionsvertrag
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Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW):

„Der Koalitionsvertrag ist ein gutes und ermutigendes Signal. Die Absprachen zu Europa, Digitalisierung und Bildung sind die positivsten Signale des Koalitionsvertrags. Die große Koalition muss nun endlich ihre zweite Chance nach 2013 nutzen, um ihre Versprechen einzulösen und Europa reformieren, die Digitalisierung erfolgreich gestalten und die Qualität des Bildungssystems für alle nachhaltig verbessern. Ich sehe in der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik noch deutlichen Nachbesserungsbedarf. (...) Zudem müssen Rahmenbedingungen für öffentliche und private Investitionen verbessert werden.“

Ingo Kramer, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA):

„Aus Sicht der deutschen Wirtschaft sind die Ergebnisse in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik weitgehend enttäuschend, vieles bleibt wirtschaftlich unvernünftig und bedeutet weniger Flexibilität für die Unternehmen, dafür aber ein Mehr an Belastung und Regulierung. (...) Der Vertrag ist geprägt von rückwärtsgewandter Umverteilung und unverantwortlicher Belastung der jungen Generation, ohne die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen für die Zukunft abzusichern.“

Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI):

„In der Gesamtschau ist die deutsche Industrie mit dem Koalitionsvertrag unzufrieden. Beim Geldausgeben besteht eine klare Schieflage in Richtung Umverteilung anstatt in Zukunftssicherung. (...) In der Steuerpolitik fehlt trotz guter wirtschaftlicher Lage der Mut zu spürbaren Entlastungen und zu Strukturreformen. (...) Wir vermissen ein klares Bekenntnis zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung. Die steuerlichen Anreize für Gebäudesanierung sind kraftlos und zu wenig substanziell.“

Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA):

„Das Ergebnis der Koalitionsverhandlungen entspricht ganz ihrer Vorgeschichte: halbherzig, lustlos, uninspiriert. (...) Bei digitaler Infrastruktur wird gekleckert, bei Rente und Mütterrente geklotzt. Ein klares Bekenntnis zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung fehlt. Die sachgrundlose Befristung wird sachgrundlos dem Koalitionsfrieden geopfert. Während andere Regionen der Welt einen klaren Innovationskurs verfolgen, droht uns mit der GroKo Dienst nach Vorschrift. Das ist alles andere als der große Wurf, den wir brauchen!“

Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK):

„In der Steuerpolitik fehlt trotz guter wirtschaftlicher Lage der Mut zu spürbaren Entlastungen und zu Strukturreformen. Deutschland muss sich dringend dem internationalen Steuerwettbewerb stellen. Wir vermissen ein klares Bekenntnis zur steuerlichen Förderung von Forschung und Entwicklung. Die steuerlichen Anreize für Gebäudesanierung sind kraftlos und zu wenig substanziell.“

Helmut Schleweis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV):

„Wir teilen die Auffassung, dass Risiko und Haftung nicht getrennt werden dürfen. Eine vergemeinschaftete europäische Einlagensicherung würde dieses Prinzip verletzen. Der beste Schutz für alle Sparerinnen und Sparer in Europa ist es, die vereinbarten gemeinsamen europäischen Standards in den nationalen Einlagensicherungssystemen umzusetzen und nicht Haftungs¬verantwortung in einem vergemeinschafteten System in Brüssel zu vermischen.“

Holger Bingmann, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA):

„Union und SPD haben sich auf einen Schönwetter-Koalitionsvertrag verständigt, der nur aufgeht, wenn der Konjunkturboom anhält und die Verteilungsspielräume weiter wachsen. Aus Sicht der Wirtschaft sind die vereinbarten Kompromisse definitiv schmerzhaft. Trotz einiger positiver Akzente in den Bereichen Bildung und Digitalisierung überwiegen ganz klar die Belastungen, während von den versprochenen Entlastungen nur ein Bruchteil übrig geblieben ist.“

Oliver Zander, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall:

„Dieser Vertrag ist noch scheußlicher als erwartet. Die Leistungsträger werden enttäuscht und der Sozialstaat explosionsartig ausgeweitet. (...) Das ist ein trauriger Tag für dieses Land.“

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