Gastbeitrag Rudolf Dreßler (SPD) zur Groko: „Zustimmung ist mir nicht möglich“

Rudolf Dreßler, einst der maßgebliche Sozialexperte der SPD, spricht sich klar gegen die Koalition mit CDU/CSU aus. In seinem Gastbeitrag erläutert er, warum er skeptisch gegenüber einer Groko ist.

 Rudolf Dreßler will nicht, dass seine SPD erneut mit der Union eine Koalition bildet. Foto: Archiv

Rudolf Dreßler will nicht, dass seine SPD erneut mit der Union eine Koalition bildet. Foto: Archiv

Foto: Fries, Stefan (fr)

Wuppertal. Die SPD-Mitglieder werden gefragt, ob ihre Partei mit der CDU/CSU in eine weitere enge Zusammenarbeit für neue vier Jahre gehen soll. Grundlage ist eine politische Vereinbarung, die eine Plattform für diese Zusammenarbeit darstellt: der Koalitionsvertrag. Jedem Mitglied wurde dieser 177-Seiten-Vertragsentwurf zur Verfügung gestellt.

Die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Julia Klöckner hält diese Abstimmungsmöglichkeit durch mehr als 460.000 Parteimitglieder für undemokratisch. Was für ein Weltbild trägt die stellvertretende CDU-Vorsitzende vor sich her?

Wenn die CDU im dortigen Vorstand mit 40 CDU-Mitgliedern oder auf einem CDU-Parteitag mit 600 CDU-Mitgliedern diese Frage entscheidet, nennt sie das demokratisch. Wenn mehr als 460 000 SPD-Mitglieder abstimmen können, ist das für sie ein undemokratischer Akt.

Nun müssen die Mitglieder der SPD entscheiden, ob ihre Partei mit der Partei von Julia Klöckner koalieren soll. Auf der Basis eines Vertragstextes, den das Führungspersonal der SPD als „durchschlagenden Verhandlungserfolg“ ausgibt.

An den besonders von der SPD-Führung hervorgehobenen angeblichen Verhandlungserfolgen, macht sich meine Skepsis fest und bringt mich dazu, mit „Nein“ zu stimmen.

-> Die Wiederherstellung der paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung wird als historische Errungenschaft angepriesen. Offensichtlich haben alle SPD-Unterhändler vergessen, dass es die SPD war, die 2005 die gleichgewichtige Finanzierung beseitigt hat. Die CDU hat der SPD lediglich erlaubt, ihren Fehler von vor 13 Jahren — sagen wir klar, was es gewesen ist: eine soziale Schweinerei — zu korrigieren.

-> Das Rentenniveau soll bis 2025 bei 48 Prozent stabilisiert werden. Im Jahre 2004 hat die SPD durch Einführung des so- genannten Nachhaltigkeitsfaktors, die Senkung des Rentenniveaus auf zunächst 46, dann bis 2030 auf 43 Prozent erlaubt. Auch in diesem Fall erlaubt die CDU vorläufig die Korrektur einer SPD-Maßnahme.

-> Genauso ist es bei der Befristung von Arbeitsverträgen ohne sachlichen Grund. Diese schlimme Gesetzgebung war der Einstieg in die Agenda-Politik des Kanzlers Gerhard Schröder im Jahre 2000.

-> Die Fortsetzung der Anerkennung von Kindererziehungszeiten, durch die CDU/CSU mit dem Kampfbegriff „Mütterrente“ durchgesetzt, geht zu Lasten der Beitragszahler in der Rentenversicherung. Eine sozialversicherungsfreie Gesetzgebung in Milliardenhöhe wird durch Sozialversicherungsbeiträge finanziert. So sozial richtig das Gesetz auch ist, so sozial verwerflich ist die Finanzierung aus dem Vermögen der Rentenversicherung.

Dieser Betrug an den Beitragszahlern der Rentenversicherung — Arbeitnehmer und Unternehmen — summiert sich in der Zeit von 2013 bis 2021 auf 59 Milliarden Euro. Und das alles, um der Bevölkerung die angebliche Einhaltung der „schwarzen Null“ in der Haushaltspolitik der Bundesregierung vorzugaukeln. Die Beitragszahler müssen für alle Steuerzahler geradestehen.

Wenn etwas politisch inakzeptabel ist, dann dieser Betrug. Für mich ist eine Zustimmung zum Eintritt der SPD in eine weitere große Koalition nicht möglich.

Meistgelesen
Neueste Artikel
BMS - Redakteur Stefan Vetter  in
Endlich Tempo
Bund und Länder wollen „beschleunigen“Endlich Tempo
Zum Thema
Aus dem Ressort