Selbstversuch Amazon Echo im Test: Alexa, brauchen wir dich wirklich?

Düsseldorf · Mit „Echo“ und „Echo Dot“ nebst Sprach-Assistentin „Alexa“ hat Amazon quasi im Alleingang einen Markt für digitale Alltagsassistenten begründet. Machen die Geräte Sinn? Ein Selbstversuch.

Erster Tag:

„Alexa …?“ — die erste Kontaktaufnahme ist zaghaft. Ich komme mir albern vor, allein im leeren Schlafzimmer. Weiß nicht so recht, was ich sagen soll. Zwar weiß ich von Freunden, dass man dem Gerät Fragen stellen kann, dass es den Wetterbericht durchgibt, Nachrichten präsentiert oder die Zeit ansagt - aber wie redet man mit einer künstlichen Intelligenz?

30 Minuten zuvor: Schon der Anfang der Beziehung ist holprig. Ich bin ein enttäuscht, als ich mein Echodot auspacke. Für 58 Euro hätte ich etwas wertigeres erwartet als diesen runden Plastik-Lautsprecher, dem man das Massenprodukt überdeutlich ansieht. Nächste Hürde: Das Ding braucht eine Steckdose. So findet Alexa ihren Platz auf einem Beistelltisch neben der Tür statt auf dem Nachttisch. Wobei mich das zu diesem Zeitpunkt nur optisch stört. Denn Echodot (so heißt das Gerät) respektive Alexa (so heißt die künstliche Intelligenz mit der Frauenstimme) „( …) hört Sie von der anderen Seite des Raumes mit 7 Fernfeld-Mikrofonen, sogar in lauter Umgebung oder wenn Musik läuft“, verspricht die Hersteller-Beschreibung. Später mehr.

Das Verknüpfen mit dem W-Lan funktioniert im zweiten Anlauf. Die Alexa-App fürs Smartphone leistet hier gute Dienste. Gruselig ist die Menge an Informationen, die Alexa von mir fordert, noch bevor wir das erste Mal miteinander gesprochen haben. So werde ich aufgefordert, mich mit Amazon-Konto anzumelden und den Zugriff auf alle möglichen Daten zu erlauben, Kontakte und Google-Kalender inklusive. Ratzfatz landen neue Apps auf dem Smartphone. Etwa ein neues Checklisten-Programm für den Einkaufszettel. Denn Alexa kooperiert nicht mit der App, die ich seit Jahren benutze.

Nach 30 Minuten schwirrt mir der Kopf. Aber ich fühle mich startklar. Zumindest, um schon mal meinen Kalender und die Einkaufsliste zu verwalten und ein paar Standard-Operationen vorzunehmen aus der App-Kategorie „Zum Ausprobieren“. Also los.

„Alexa …“ wiederhole ich. Die Dame scheint mich immer noch nicht zu hören. Ich räuspere mich: „Alexa!“, sage ich nun mit mehr Nachdruck. Blink! Ein blauer Lichtkreis erscheint um den Deckel. Ein Abschnitt, der in meine Richtung zeigt, färbt sich türkis. Alexa hat mich gehört. Und nun? Mal überlegen … Ach, ich weiß …

„Alexa, gib mir das Wetter in Düsseldorf!“ Erster Kontakt, und ich rede übers Wetter … Egal. Alexa schweigt eh. „Wetter!“, sage ich nochmal. Schweigen. Der blaue Lichtkreis ist erloschen.

Ich suche Hilfe im Handbuch. Genauer: im Hilfe-Bereich der App. Selbsterklärend ist das Gerät nämlich nicht. Hier ist mehr Methode gefragt als bei so ziemlich jedem anderen technischen Etwas, das der mitteleuropäische Durchschnittsmann ohne Anleitung bezwingt (oder es versucht).

20 Minuten später bin ich schlauer: Will man von Alexa etwas wissen, muss man bestimmte Worte wählen. „Alexa, wie lautet der Wetterbericht für Düsseldorf“, sage ich zur Plastikdose. Siehe da: „In Düsseldorf, Nordrhein-Westfalen, ist es heute überwiegend sonnig mit Temperaturen um die zwei Grad …“, informiert mich meine digitale Assistentin. Klingt überraschend gut, der Sound. Die Info übrigens auch. Ich verabschiede mich nach draußen. Mein Versprechen, „nur mal eben eine halbe Stunde“ mit Alexa zu verbringen, ist längst überstrapaziert. Das Mikrofon schalte ich stumm. So ganz traue ich dem Gerät nicht, dass vorab so viele Informationen haben wollte …

Zweiter Tag:

Nach den ersten Kommunikationsversuchen läuft es besser mit Alexa: Ich habe mich daran gewöhnt, laut und deutlich zu sprechen. Und auf Testfragen aus dem Bereich „Zum Ausprobieren“ vernünftige Antworten erhalten. Das Gerät bringt ab Werk Standard-Fähigkeiten mit. Dazu gehört der Wetterbericht — siehe oben — oder das Stellen eines Weckers. „Alexa, stell mir bitte einen Wecker auf 7 Uhr“. Es funktioniert auf Anhieb. Die Plastikdose spielt einen gar nicht mal so ekelhaften Weckton ab. Der vorsichtshalber auf 7.05 Uhr gestellte Handywecker wäre nicht nötig gewesen. Das Vertrauen wächst. Zeit, weiter zu gehen.

„Skill“ ist das englische Wort für Fähigkeit. In der App gibt es einen Bereich mit vorprogrammierten „Skills“. Einmal freigeschaltet, bietet Alexa entsprechenden Service. Ich wähle zwei Nachrichten-Dienste — einen von einem privaten Nachrichtensender, einen von einem Magazin. Diese lassen sich in einer „Routine“ zusammenfassen. „Alexa, was ist meine tägliche Zusammenfassung?“ frage ich die Dose — und die Nachrichten werden abgespielt. In meiner festgelegten Reihenfolge.

Das Angebot an Fähigkeiten scheint schier unendlich, darin zu stöbern gleicht dem Gefühl, als stünde man vor den meterhohen Regalen einer Bibliothek in Harry Potters Zauberschule Hogwarts: Man weiß gar nicht, wohin man zuerst schauen soll. Oder was man will.

Ich wähle die Einschlaf-Hilfe „Schlafenszeit“, herausgegeben von einer Krankenkasse. Hier kann man entspannende Musik hören oder beruhigende Geräusche, Schäfchen zählen (ja!) oder eine meditative Gedankenreise unternehmen, verspricht die Beschreibung. „Alexa, starte Schalfenszeit“, sage ich. Liegend. Laut. In Richtung Tür.

PLING!! PLING!! FLIRR!! DONG!! … Die Entspannungsmusik donnert los. „Alexa, leiser!“ rufe ich. Die Entspannungsmusik donnert noch lauter.

Wer mit Alexa reden will, muss Vokabeln lernen

Hektisch greife ich das Smartphone, durchsuche den Hilfebereich nach dem Standard-Befehl fürs Leisermachen. Denn wer mit Alexa reden will, muss Vokabeln lernen. Jede Menge davon. Standard-Befehle. Und für jeden „Skill“ eigene Formulierungen. Allein für meine „Schlafenszeit“ gibt es sieben davon.

Wo ist es nur, wo ist es nur … inzwischen sind sicher die Nachbarn wach! Da! „Alexa, Lautstärke vier!“ rufe ich in den Raum.

Die Musik schwillt ab. Und ich bin hellwach. „Alexa, Ende!“, sage ich — zumindest diesen Standard-Befehl habe ich mir gemerkt. Nichts geschieht. War das doch falsch? „Alexa, Ende!“, wiederhole ich, lauter. Wieder nichts. Ich stehe auf, stelle mich neben das Gerät: „ALEXA, ENDE!“

Der Lichtkreis erlischt. Ruhe. An den sieben Fernfeld-Mikrofonen — siehe oben - müssen die Konstrukteure noch arbeiten.

Dritter Tag:

„Alexa, guten Morgen“. Hinter das Kommando habe ich meine Nachrichten-Zusammenfassung gelegt. Alexa trägt vor, was in der Welt passiert ist, während ich das Bett mache.

„Alexa, öffne radio.de und spiele WDR2“. Alexa tut, wie ihr geheißen. Ich ziehe mich an. „Alexa, Ende.“ Der Lichtkreis erlischt. Morgenritual beendet. Klappt gut mit uns.

15 Stunden später. „Alexa, starte Schla …“ - sofort halte ich inne. Auf die „Schlafenszeit“ verzichte ich lieber.

Vierter Tag:

„Alexa, guten Morgen“ — Nachrichten beim Bettmachen. Dann Radio. Dann „Füge Waschmittel zur Einkaufsliste hinzu“ und „Setze Mama anrufen auf die To-Do-Liste“. Hätte ich zwar alles auch anders hinbekommen. Aber warum nicht? Wobei: Auch langweilig. Da muss doch mehr sein …

Am Abend begebe ich mich auf die Suche nach der Möglichkeit, meinen TV-Streaming-Stick nebst Streaming-Dienst über Alexa zu steuern. Oder den Fernseher. Oder das W-Lan-Soundsystem. Übers Smartphone klappt all das.

>>>Alexa, Google Home, Home-Pod: Die Armee der Sprachassistenten wächstIch suche in den Alexa-„Skills“. Ein einziges Ergebnis. Na gut, aktiveiern! Aber „Yonomi“ kann nicht wirklich helfen. Über diese Anwendung lassen nur ausgewählte Geräte bestimmter Hersteller steuern. Kein einziges von meinen. Warum die Suche diesen „Skill“ empfiehlt? Keine Ahnung.

Auch die Google-Recherche führt ins Leere: Zwar habe es in Deutschland kurzzeitig eine Alexa-Funktion gegeben, über die der Streaming-Stick zu steuern war. Diese wurde aber offenbar wieder deaktiviert. Auf unbestimmte Zeit.

Mein Soundsystem lässt sich laut Hersteller-Website mit Alexa verbinden — aber nur über Bluetooth. Effekt: Von drei Boxen in der Wohnung lässt sich immer nur eine ansteuern. Adé, Radio per Stimmsteuerung in allen Räumen.

Fünfter Tag:

Ich klicke mich durch die „Skills“. Beim vierten Besuch wirkt die Harry-Potter-Zauberbibliothek gar nicht mehr riesig. Eher wie die Stadtteilbücherei. Dennoch: Theoretisch kann sie einiges, diese Alexa. Aber um wirklich per Sprachsteuerung das Licht zu dimmen oder den Fernseher einzuschalten, sind bestimmte Geräte nötig. Alexa-kompatible Glühbirnen zum Beispiel, (15 bis über 40 Euro pro Stück) oder Steckdosen (um die 25 Euro pro Stück). Teils braucht man für unterschiedliche Hersteller

unterschiedliche Skills. Alternative: Man steuert den Krempel mit einem Zwischen-Gerät. Das nimmt via Alexa Sprachbefehle entgegen und gibt sie weiter. Kostenpunkt: um die 90 Euro. Wer aus Alexa tatsächlich ein elektrisches Dienstmädchen machen will, ist schnell ein paar hundert Euro los …

Sechster Tag:

Wir haben uns nicht viel zu sagen: „Alexa, guten Morgen“ ist der einzige Satz, den ich meinem Echodot an diesem Tag zurufe. Danke für den Nachrichtenüberblick. Radio höre ich über die W-Lan-Lautsprecher im Bad und in der Küche - keine Aufgabe für Alexa.

Am Abend sehe ich keinen Grund, Alexa nochmal anzusprechen. Schließlich kann sie mir beim Fernsehen nicht weiterhelfen. Und alle Einträge in Listen und Kalender sind für diesen Tag schon erledigt. Unterwegs. Per Smartphone.

Siebter Tag:

Auf das „Guten Morgen“ verzichte ich — Nachrichten kann ich auch im Radio hören. Ich wechsle an diesem Tag kein Wort mit Alexa.

Achter Tag:

„Zu jeder Zeit einen dummen Spruch parat. Jetzt musst du nicht mehr zwangsläufig unter intellektuellen Höhenflügen leiden!“ Das ist die Beschreibung des Alexa-Skills „Einen dummen Spruch“. Der steht auf Platz eins der Empfehlungen für neue Dinge, die ich meiner elektrischen Assistentin beibringen soll. Ich wandere durch die Hogwarts-Zauber-Stadtteil-Skill-Bibliothek … Eine Anwendung kann mir die Bedeutung von Vornamen erklären. Eine Katzen-Imitations-Maschine. Eine für aufbauende Lebensweisheiten (Name: „Alles wird gut“). Und ein Furz-Generator. Daneben eine erkleckliche Anzahl an Nachrichten-Vorlese-Apps oder an Dienstleisterlein wie einen Flüge-Finder, die meist an einen Anbieter gekoppelt sind. Unter „Im Trend“ gibt’s den „Aggro-Sachsen“ (Gekeife auf Sächsisch) oder die „Unnötigen Fakten“. 20 Minuten stöbern.

Mal ehrlich: Alexa, brauch‘ ich dich wirklich? Eher nicht. Komm gerne in ein paar Jahren wieder. Wenn du mehr kannst. Ah, da! Ein „Skill“, der gerade gelegen kommt: „Alexa, starte Selbstzerstörung!“ Ja. Gibt es wirklich.

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