Nachts am Worringer Platz

Die Off-Szene blüht gleich hinter dem Hauptbahnhof. Gleich neun von 40 Veranstaltungen bei der Nacht der Museen finden statt.

Nachts am Worringer Platz
Foto: Christian Herrendorf

Der Worringer Platz liegt nur wenige hundert Meter vom Hauptbahnhof entfernt. Er hat sich in den letzten Jahren zu einem Zentrum der Off-Szene entwickelt. Gleich neun von 40 Veranstaltungen bei der Nacht der Museen finden an der Worringer Straße, der Ackerstraße und auf dem Worringer Platz selbst statt. Eine Vorschau:

In den geheimnisvollen Tunnel unter dem Platz geht es zwar nicht, dafür aber wird die Untergrund-Kunst gleich an zwei Stellen mithilfe einer Virtual-Reality-Brille dem Träger sichtbar gemacht, und zwar in einem Kellerraum des Hotel Friends sowie auf dem Worringer Platz neben dem Lokal „Pizza Grüne Insel“ (Nummer 9). Dabei passiert die einstige Graffiti-Szene Revue, die in den 1990er Jahren viel vitaler war als die heutige Auftragskunst an Unterführungen. Wer keine VR-Brille ergattert, kann die Szene unter der Erde auch über einen Beamer auf einer Projektionsfläche erleben.

In einem zweiten Kellerraum des Hotel Friends gibt es eine Ausstellung des jungen Kurators Wilko Austermann. Hauptattraktion ist eine Installation von Tobias Grewe, in der der Meisterschüler von Andreas Gursky den Betrachter an der Nase herumführt. Von weitem sieht die kapitale Hintergrundwand wie ein Architektur-Relief aus. Nähert man sich der Arbeit, entpuppt sie sich als eine mit Fotografie bedruckte Wand, die eine Hochhausfassade darstellt. Geht der Betrachter vor und zurück, kann er das Spiel zwischen Flachware und scheinbar dreidimensionaler Fotografie genau verfolgen.

Auf dem Worringer Platz wird eine Bühne installiert. Zur DJ-Musik werden junge Streetart-Talente eine lebensnahe Show produzieren. Mit dabei ist die Urbanatic-Tänzerin Natalia, die das Projekt leitet. Nebenan im Glashaus erhält der Besucher eine „direkte“ telefonische Verbindung mit einem Gletscher, indem ein Mikrofon vor Ort die Geräusche aus der Natur dem Anrufer mitteilt. Das Konzept dazu stammt von Kalle Laar.

W57 nennt sich die Location im Hinterhof der Worringer Straße 57. Hier führt ein Meisterschüler von Andreas Gursky, Raphael Brunk, in die täuschend echt wirkende Computer-Spielwelt ein, die mit Hilfe von Computerfehlern zu Bildern mutiert, die an Fotografien erinnern.

Johannes Post durfte das elterliche Wohnzimmer mit Kettensäge, Brecheisen und Flex bearbeiten, nachdem sich die Eltern neue Möbel zugelegt hatten. Er zerschnitt das Mobiliar horizontal in jeweils zehn Zentimeter dicke Scheiben, fotografierte sie ganz sachlich von oben und unten und hängt die Bilder wie Computertomographien an die Wand. Das Gleiche macht er mit seiner Kleidung und erzielt damit denselben, geradezu surrealen Effekt.

In einem Hinterhof an der Worringer Straße 103 gegenüber der Spielstätte Central haben drei Künstler ihre Ateliers. Sie beschäftigen sich mit dem Wasser im weitesten Sinn. Carl Hager hat einen Brunnen aus Fundstücken und Selbstgebautem erstellt. Er verfügt über einen geschlossenen Wasserkreislauf. Dazu zeigt Katarzyna Cudnik eine Diashow von farbigem Wasser. Und Dimitrij Dihovichnij präsentiert eine kapitale Skulptur, die sich als eine eher unbekannte Unterwassernuss entpuppt. Der Künstler ist stolz auf sein Werk, aber auch auf die Natur, die auch unter Wasser die tollsten mathematischen Grundformen produziert.

Die Geschwister Pola und Orson Sieverding haben nicht nur in Katharina Sieverding eine berühmte Mutter, sondern sie sind selbst auf dem Weg zu Stars, Orson als Soundkünstler, der die Musik zu vielen Videos seiner Schwester Pola macht. Pola hat soeben ein Buch über die Bewegung der Männer im Clinch beim Wrestling herausgebracht, das sie im Hinterhof der Ackerstraße 33 präsentiert, zu den Klängen ihres Bruders.

Zum ersten Mal dabei ist der Fotograf Christian Steinmetz, der an der Folgwangschule in Essen studiert hat und als Kreativdirektor einen Namen hat. Seit 1993 hat er sein Atelier an der Ackerstraße 29a. Da wird es Zeit, dass er in der Nacht der Museen auch seine freie Kunst präsentiert.

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