Wie die Politik dem Ruhrgebiet helfen will

Ministerpräsident Laschet (CDU) verspricht zahlreiche Initiativen. Der neue SPD-Fraktionschef Kutschaty nennt die Pläne „ziellos und ambitionslos“.

Wie die Politik dem Ruhrgebiet helfen will
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Düsseldorf. Nach seiner Wahl zum Fraktionschef der SPD im Landtag am Dienstag hatte Thomas Kutschaty in einem Radiointerview angekündigt, er werde die Nacht nutzen, um sich auf die erste Rede in neuer Funktion vorzubereiten. Da wusste er, dass er direkt auf Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) antworten würde, der seine Pläne zur Stärkung des Ruhrgebiets vorstellen wollte. Gute Gelegenheit für den neuen Oppositionschef zu zeigen, was ihn ihm steckt.

Die Schlagworte konnte er sich also schon des Nachts und vor Kenntnis der Rede Laschets notieren. Und so schießt er sie denn auch im Sekundentakt ab: Laschets Ausführungen seien „ziellos, ambitionslos und in weiten Teilen sogar inhaltsleer“ gewesen. Es gebe eine „gähnende Leere im Ideenspeicher der Regierung“, dafür aber „Phrasen und Leerformeln“. Kutschaty spricht vom „Floskel-Bingo“ des Ministerpräsidenten. Und unternimmt einen angesichts des Themas überraschenden Ausflug in die Astrophysik: Was geplant sei, sei „wie ein schwarzes Loch, das jede gute und vorhandene Idee im Ruhrgebiet einsaugt und nie wieder freigibt“.

Laschet hört sich all das von der Regierungsbank aus an, ohne sichtliche Empörung. Mit viel Elan hatte er zuvor vorgetragen, worum es ihm beim Thema Ruhrgebiet geht. In diesem Jahr, da die letzten beiden Steinkohlebergwerke in Ibbenbüren und in Bottrop schließen, gehe eine 200-jährige Industriegeschichte zu Ende. Bei verständlicher Wehmut dürfe es da nicht bleiben. Es müsse ein Signal des Aufbruchs für die Region geben, in der „unendlich viel Potenzial steckt“.

Mit ihrer Ruhrkonferenz wolle die Regierung dafür einen starken Impuls geben. „Wir wollen da, wo industrielles Know-how und Strukturwandel keine Fremdworte sind, dies verbinden mit den Chancen digitaler Geschäftsmodelle und mit den Stärken der Industrie, mit Instituten zur Spitzenforschung und mit Startups, die wir fördern“, sagt Laschet. Es brauche leistungsfähige, umweltschonende Verkehrssysteme. Und: Den Menschen müsse das Signal gegeben werden, dass die Innere Sicherheit überall gewährleistet sei. Kriminelle Banden, die Geschäftsmodelle mit Schrottimmobilien betrieben und illegal Bulgaren und Rumänen anwerben, würden mit allen Mitteln des Rechtsstaats gestoppt. In heutigen Problemvierteln müsse es die besten Schulen, den kleinsten Lehrerschlüssel und die beste digitale Ausstattung geben. „Aufstieg ist das, was man den Leuten versprechen muss, die dort derzeit sagen, das Leben habe für sie keine Perspektive“, ruft Laschet.

Ein Versprechen also. Und wie soll all das verwirklicht werden? Eben mit der Ruhrkonferenz. Trotz des Begriffs ist damit nicht ein einmaliges Zusammentreffen gemeint, sondern ein auf mehrere Jahre angelegter Prozess. Es werde, so Laschet, ein permanentes Projektteam auf der Zeche Zollverein in Essen angesiedelt. Dort würden alle Aktivitäten betreut. Stephan Holthoff-Pförtner (CDU), Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, soll nun auch fürs Ruhrgebiet zuständig sein und die Aktivitäten koordinieren: den Dialog mit Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft. Tandems, bestehend aus jeweils einem Minister der Landesregierung und einem Vertreter aus der Zivilgesellschaft des Ruhrgebiets, sollen Schnittstellen zwischen Region und Landesregierung bilden und neue Ideen koordinieren. Erstmals werde der NRW-Tag in diesem Jahr im Ruhrgebiet stattfinden, in Essen. Da könnten dann auch die Bürger ihre Ideen mit einbringen.

Was Kutschaty spotten lässt: „Ihre Ruhrkonferenz beschränkt sich auf Arbeitskreise mit Straßenumfrage.“ FDP-Fraktionschef Christof Rasche analysiert daraufhin die Lage, in der sich aus seiner Sicht die SPD beim Thema Ruhrgebietsförderung befinde. „Wenn die SPD jetzt konstruktiv mit diesem Prozess umgeht, dann ist das gut für das Ruhrgebiet, aber davon wird die SPD vielleicht nicht profitieren.“ Beschimpfe sie aber den ganzen Prozess, um sich selbst zu profilieren, so schade sie dem Ruhrgebiet. Die Aufgabe der Ruhrgebietsförderung sei aber so groß, dass sich kein Parteiklüngel lohne. Es bedürfe einer gemeinsamen Anstrengung.

Kutschaty seinerseits schlägt einen kommunalen Altschuldenfonds vor, „der die überforderten Städte von den Lasten der Vergangenheit befreit“. Wo das Geld herkommen soll, sagt er nicht, spricht lediglich von einer gemeinsamen Anstrengung von Bund, Ländern und Kommunen. Auch für Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) sind ohne einen konkreten Entschuldungsfonds „alle anderen Projekte Maskerade“.

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