Sammelklage kommt: Chance für Diesel-Skandal-Betroffene

Die sogenannte Musterfeststellungsklage soll eingeführt werden und spätestens zum 1. November in Kraft treten. Für bis zu drei Millionen Dieselfahrer wäre das eine Chance auf mögliche Entschädigungen.

Wenn die Musterfeststellungsklage kommt, könnten Dieselfahrer gemeinsam ihre Ansprüche gegenüber dem Volkswagens-Konzern geltend.

Wenn die Musterfeststellungsklage kommt, könnten Dieselfahrer gemeinsam ihre Ansprüche gegenüber dem Volkswagens-Konzern geltend.

Foto: Silas Stein

Düsseldorf. Gute Nachricht für alle Verbraucher in Deutschland: Die Bundesregierung setzt ihr Versprechen um und führt die sogenannte Musterfeststellungsklage ein. Spätestens zum 1. November soll die neue gesetzliche Regelung in Kraft treten. Nach Informationen dieser Zeitung wird die Vorlage aus dem von Katarina Barley (SPD) geführten Justizministerium am 9. Mai vom Kabinett verabschiedet, nachdem alle strittigen Fragen geklärt sind. Ziel ist es, dass noch im Juni und damit vor der parlamentarischen Sommerpause Bundestag und Bundesrat dem Gesetzentwurf zustimmen.

Die Musterfeststellungsklage soll Verbrauchern ermöglichen, gemeinsam ihre Ansprüche gegenüber Unternehmen geltend zu machen. Solche Sammelklagen, wie es sie beispielsweise auch in den USA gibt, waren hierzulande bisher nicht möglich. Jeder Kunde muss bisher selbst klagen.

Auslöser der Neuregelung sind die millionenfach manipulierten Diesel-Pkw des Volkswagens-Konzerns. Die Ansprüche der Betroffenen verjähren am 31. Dezember dieses Jahres. Der zeitliche Druck für die Politik ist also beträchtlich.

Klageberechtigt sind nur verbrauchernahe Verbände. Laut Gesetzentwurf muss es sich um „qualifizierte Einrichtungen“ handeln. Was darunter zu verstehen ist, war lange umstritten. Vertreter der Wirtschaft und die Union forderten, die Hürde für die Verbände möglichst hoch zu legen, um die Bildung einer „Klageindustrie“ wie in den USA zu verhindern.

Vorgesehen ist jetzt, dass die Verbände mit einem Klagerecht mindestens seit vier Jahre existieren. Pflicht sind zudem 350 Mitglieder oder — bei Dachverbänden — mindestens zehn Landesverbände. Als möglicher Kläger kommt insbesondere der Bundesverband Verbraucherzentrale infrage.

Um ein Verfahren anzustoßen, müssen sich zehn Betroffene finden, die mit Hilfe eines Verbandes Klage einreichen. Nimmt das Gericht die Klage an, braucht es weitere 50 Verbraucher mit gleichem Anliegen, die sich der Klage anschließen.

Schätzungen zufolge könnten sich bis zu drei Millionen Dieselfahrer bei einer möglichen Sammelklage beteiligen. Sollten am Ende des Verfahrens Entschädigungen stehen, wie sie Volkswagen in den USA zahlt (zwischen 5100 und 10 000 Dollar pro Auto), kämen auf den Konzern Kosten von bis zu 15 Milliarden Euro zu.

Technische Nachrüstungen älterer Diesel zur Senkung des Schadstoffausstoßes sind laut einem Gutachten im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums umsetzbar. Nach heutigem Erkenntnisstand sei dies bei Euro-5-Fahrzeugen „mit verträglichem Aufwand möglich“, schreibt Professor Georg Wachtmeister von der Technischen Universität München in einem Gutachten. Die Kosten für Nachrüstungen der Motor-Hardware bewegten sich „in einer realisierbaren Größenordnung“. Genannt werden rund 3000 Euro pro Auto. Solche Nachrüstungen sind innerhalb der Bundesregierung umstritten. Während Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) dagegen ist, hält Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) sie für unverzichtbar. MA/WI

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