Elfjähriger in Neuss ermordet - Onkel gesteht schwere Misshandlungen

Ein elfjähriger Junge wird im rheinischen Neuss schwer misshandelt und stirbt. Im Gerichtssaal trifft die Mutter auf den mutmaßlichen Mörder ihres Sohnes - ihren eigenen Bruder. Der legt ein Teilgeständnis ab.

Nach dem grausamen Tod eines elfjährigen Jungen in Neuss steht dessen Onkel wegen Mordes vor Gericht.

Nach dem grausamen Tod eines elfjährigen Jungen in Neuss steht dessen Onkel wegen Mordes vor Gericht.

Foto: Federico Gambarini

Neuss/Düsseldorf. Die Mutter des getöteten Kindes weint im Gerichtssaal, ihr Gesicht ist tränenüberströmt. Ihr gegenüber sitzt der Mann, der zugibt, für den Tod ihres Sohnes verantwortlich zu sein. Es ist ihr eigener Bruder. „Sie werden am besten wissen, ob sie sich das antun möchten“, warnt der Vorsitzende Richter am Freitag beim Beginn des Prozesses am Düsseldorfer Landgericht die Mutter. Während der Staatsanwalt schildert, welches Martyrium dem Elfjährigen widerfuhr, schluchzt die Frau immer wieder laut auf.

Der Onkel des Elfjährigen ist wegen Mordes angeklagt. Der Staatsanwalt wirft ihm vor, dem Jungen im Badezimmer einen so heftigen Schlag versetzt zu haben, dass dieser am 5. Oktober vergangenen Jahres in Neuss rückwärts in die Badewanne flog und bewusstlos wurde. Dann soll er, angeblich um das Kind zu wecken, diesem so heißes Wasser über den Kopf gegossen haben, dass der Elfjährige schwere Verbrühungen an Kopf und Schultern erlitt.

Doch der Junge blieb bewusstlos, auch als der 41-Jährige die Temperatur von heiß auf kalt wechselte. Er überließ das Kind in der Badewanne seinem Schicksal, ging zu seinem Computer und setzte die Kopfhörer auf, berichtet Staatsanwalt Martin Stücker. Er habe es wie einen Duschunfall aussehen lassen wollen. Indem er das Kind sterben ließ, habe er die vorangegangene Misshandlung vertuschen wollen - ein sogenannter Verdeckungsmord.

Als die Frau des Angeklagten nach Hause kommt, hat das Herz des Elfjährigen schon aufgehört zu schlagen. Erst jetzt beginnt der Onkel mit der Wiederbelebung, wählt den Notruf. Tatsächlich gelingt es noch, den Jungen ins Leben zurückzuholen, doch seine Hirnschäden sind schwer. Als einige Tage später auf der Intensivstation die lebenserhaltenden Maschinen abgeschaltet werden, stirbt er sofort.

Der Angeklagte sei als Kind selbst von seinem Vater schwer misshandelt worden, habe Narben davongetragen, erklärt Verteidigerin Dagmar Loosen. Er selbst habe es bei seinen sechs Kindern besser machen wollen: „Er hatte sich geschworen, sich lieber einen Arm abzuhacken, als einem Kind etwas anzutun. Gewalt kam in seiner eigenen Familie nie vor.“

Doch dann trennten sich seine Schwester und deren Mann, der Neffe kam zur Oma und die zog eines Tages mitsamt dem Kind bei ihm ein. In der Wohnung, die aus allen Nähten zu platzen drohte, hausten zehn Menschen. Und der Neffe habe sich nicht eingefügt, sondern ständig Probleme gemacht.

Am Tattag habe der Onkel zum ersten Mal die Beherrschung verloren, sagt die Verteidigerin. „Er ist jetzt da, wo er nie hinwollte.“ Er räumt den Schlag ein und die Tortur mit heißem und kaltem Wasser, will aber nicht bemerkt haben, dass das Kind in Lebensgefahr schwebte und die Situation kritisch war. Aus ihrer Sicht sei die Tat kein Mord, sondern Körperverletzung mit Todesfolge, sagt die Anwältin.

Die Zuschauerreihen sind dicht gefüllt, viele Familienangehörige sind gekommen. Die Emotionen schlagen hoch, die Nerven liegen blank. Nach dem ersten Verhandlungstag kommt es vor dem Gerichtsgebäude zu Handgreiflichkeiten. Ein Dutzend Justiz-Wachtmeister eilt herbei, um die Situation zu beruhigen. Der Prozess wird am 24. Mai fortgesetzt. dpa

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