Neues Polizeigesetz in NRW: Diese Änderungen soll es geben

Nordrhein-Westfalen soll noch vor der Sommerpause sein bisher schärfstes Polizeigesetz bekommen. Die Kritik ist groß. Aber Proteste ähnlich wie in Bayern bleiben aus.

 Umstritten am neuen Polizeigesetz ist auch der Einsatz der elektronischen Fußfessel.

Umstritten am neuen Polizeigesetz ist auch der Einsatz der elektronischen Fußfessel.

Foto: Julian Stratenschulte

Düsseldorf. Juristen, Datenschützer und Menschenrechtler haben teils große Bedenken gegen das neue Polizeigesetz in Nordrhein-Westfalen. Das Gesetz erweitert die Befugnisse der Polizei schon bei drohender Gefahr. Zweifel an der Rechtssicherheit gibt es unter anderem bei der Dauer des Polizeigewahrsams für terroristische Gefährder, aber auch für Hooligans und Kriminelle. Umstritten ist auch der Einsatz der elektronischen Fußfessel und die Schleierfahndung. Das geht aus den Stellungnahmen für eine am Donnerstag angesetzte Expertenanhörung im Landtag hervor.

Die CDU/FDP-Landesregierung will das neue Sicherheitspaket noch vor der Sommerpause vom Landtag verabschieden lassen. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty international fordert, dass mit der Ausweitung der polizeilichen Befugnisse in NRW auch eine unabhängige Beschwerdestelle für Betroffene geschaffen werden müsse.

DROHENDE GEFAHR: Die im Gesetz neu eingeführten Begriffe einer „drohenden Gefahr“ oder „drohenden terroristischen Gefahr“ als Voraussetzungen für die Ausweitung der Polizeimaßnahmen halten Kritiker wie Amnesty und die NRW-Datenschutzbeauftragte für nicht rechtssicher. Zu unbestimmt sei etwa die Definition, wonach eine drohende Gefahr vorliege, wenn bei einer Person „bestimmte Tatsachen“ die Annahme rechtfertigten, dass sie „innerhalb eines absehbaren Zeitraums“ eine Straftat von erheblicher Bedeutung begehen werde. Die Gewerkschaft der Polizei NRW hält die Begriffe zwar für verfassungssicher, fordert aber bei jeder Maßnahme eine Einzelprüfung, ob sie gerechtfertigt sei. Die Deutsche Polizeigewerkschaft fordert eine klarere Unterscheidung zwischen Kriminalität und Terror. Amnesty befürchtet, dass die Ausnahmebefugnisse für die Polizei „zum Werkzeug einer allgemeinen Verbrechensbekämpfung“ werden könnten.

POLIZEIGEWAHRSAM: Der sogenannte Unterbindungsgewahrsam kann von derzeit maximal 48 Stunden auf bis zu einen Monat verlängert werden. Bayern hat sogar eine Dreimonatsfrist. Amnesty hält das für unverhältnismäßig. Menschen im Polizeigewahrsam seien zudem nur unzureichend geschützt. Anders als im Strafverfahren hätten sie keinen Pflichtverteidiger. Dass künftig eine Person sogar zur Identitätsfeststellung bis zu sieben Tage festgehalten werden könne, hält der Bielefelder Juraprofessors Christoph Gusy mit dem Grundgesetz für unvereinbar. Professor Markus Thiel von der Deutschen Hochschule der Polizei verweist darauf, dass die Polizei eine Person zwar in Gewahrsam nehmen darf, aber unverzüglich eine richterliche Anordnung herbeiführen muss.

Dem Münchner Richter Markus Löffelmann erscheint das NRW-Gesetz „unausgewogen“. Verlässliche verfassungsrechtliche Maßstäbe zur Dauer des Gewahrsams gebe es bisher nur ansatzweise. Insgesamt sei das NRW-Gesetz zwar moderater als das bayerische Gesetz. Dass die Polizeibefugnisse ausgeweitet werden sollen, hält Löffelmann angesichts der derzeit abnehmenden Kriminalität in Deutschland allerdings für nicht überzeugend.

DATENSCHÜTZER: Der Zeitdruck, unter dem das Gesetz noch vor dem Sommer durch den Landtag gebracht werden solle, „wird der Relevanz der Thematik nicht gerecht“, kritisiert die NRW-Datenschutzbeauftragte Helga Block. Betroffen von den neuen Befugnissen der Polizei etwa bei der Videoüberwachung wäre eine Vielzahl von in aller Regel völlig unbeteiligten Personen. Das Polizeirecht solle „mehr und mehr dem Recht der Nachrichtendienste“ angeglichen werden.

SCHLEIERFAHNDUNG: Das NRW-Gesetz lässt verdachtsunabhängige Kontrollen in vorher bestimmten Gebieten für 28 Tage zu - mit der Möglichkeit der Verlängerung um weitere 28 Tage. Amnesty befürchtet, dass die Kontrollen „in der Regel Menschen treffen, die einen Migrationshintergrund haben und nicht 'typisch deutsch' aussehen“. Die NRW-Datenschutzbeauftragte beklagt eine „geradezu uferlose Weite“ möglicher Einsatzszenarien, sogar in Straßenbahnen, Bussen oder öffentlichen Parkhäusern.

ELEKTRONISCHE FUßFESSEL: Nach Ansicht des Bielefelder Juraprofessors Christoph Gusy wirkt die elektronische Fußfessel nicht gefahrenabwehrend. Für Amnesty ist sie ein Eingriff in das Menschenrecht auf Fortbewegungsfreiheit. Fraglich sei auch, ob sie überhaupt zur Verhinderung einer terroristischen Straftat geeignet sei. Selbst die Gewerkschaft der Polizei NRW sieht die Fußfessel als nicht geeignet an, terroristische Aktivitäten zu erkennen oder zu verhindern. Das Bundeskriminalamt BKA meint dagegen, dass schon das Wissen um die polizeiliche Kontrolle Täter abschrecken könnte.

WAFFEN: Amnesty lehnt die Einführung von Elektroschockwaffen (Taser) für die reguläre Streifenpolizei ab. Taser könnten schwere Gesundheitsschäden verursachen.

DIGITALE ÜBERWACHUNG: Die Polizei soll künftig mit richterlicher Anordnung auch auf verschlüsselte digitale Inhalte zugreifen können und Messengerdienste wie etwa WhatsApp auslesen dürfen. Datenschützer befürchten, dass entdeckte IT-Sicherheitslücken dann bewusst von Sicherheitsbehörden offen gelassen werden könnten. Für das Bundeskriminalamt (BKA) ist die Überwachung der Kommunikation häufig „der einzige Weg, um die Gefahrenlage erhellen zu können“. dpa

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