Leistungsschutzrecht im EU-Parlament: Bald mehr Rechte für Autoren und Verlage?

Am Donnerstag stimmt das EU-Parlament darüber ab, ob Autoren und Verleger künftig gegenüber Google und Amazon die gleichen Schutzrechte an ihrem geistigen Eigentum erhalten wie Musik- oder Filmproduzenten.

Leistungsschutzrecht im EU-Parlament: Bald mehr Rechte für Autoren und Verlage?
Foto: dpa

Brüssel/Berlin. Die elektronischen Postfächer von Europa-Abgeordneten quellen über: Google, Facebook, Amazon, Apple, Microsoft und ihre Lobbyisten laufen Sturm, bei Twitter und Facebook beschwören Netzaktivisten den Untergang des Internets. Grund des Aufruhrs: Am Donnerstag stimmt das Plenum des EU-Parlaments darüber ab, Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten über die neue EU-Urheberrechtsrichtlinie zu beginnen.

Inhalt der Richtlinie ist unter anderem ein „Leistungsschutzrecht“, das die Rechte von Autoren und Verlagen stärkt. Künftig sollen Anbieter wie Google News nicht mehr ohne Erlaubnis Ausschnitte von Pressetexten und Überschriften anzeigen dürfen. Video-Plattformen wie YouTube werden verpflichtet, schon während des Hochladens eines Films zu prüfen, ob dieser urheberrechtlich geschützt ist — und eine Lizenz dafür erwerben.

Diese Reform des Urheberrechts wird in Deutschland von mehr als 50 Organisationen und Verbänden der Kultur- und Medienwirtschaft unterstützt. In einem Brief an die EU-Abgeordneten warnten sie im Juni, die erreichten Kompromisse „nun erneut durch die Beschwörung von Untergangsszenarien und durch gezielte Desinformationskampagnen im Interesse global agierender Internetunternehmen“ infrage zu stellen.

Vier Fachausschüsse haben der Richtlinie bereits zugestimmt, zuletzt hat der Rechtsausschuss des Parlaments mit allerdings knapper Mehrheit die Annahme empfohlen. Seitdem kämpfen die Internet-Konzerne mit harten Bandagen gegen den Rechtsschutz der Autoren und Verlage. Von bis zu 40 000 Mails pro Tag sprachen einzelne Abgeordnete, so Dietmar Wolf, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV): „Wenn die gemeinsame europäische Politik den Anspruch hat, die bewährten Säulen der Demokratie zu schützen, dann kommt sie nicht umhin, das Öko-System des Internets ordnungspolitisch und ausgleichend mitzugestalten. Dazu ist jetzt bei der Reform des europäischen Urheberrechts die Gelegenheit.“

Gefragt seien europaweite und durchsetzbare Gesetze, denen sich niemand, auch nicht US-Giganten, verweigern können. Andernfalls bestätige es „America First“ — mit Hilfe der Europäer. „Die marktbeherrschenden Plattformen haben sich ihr geschlossenes System im Internet aufgebaut. Immer mehr Milliarden Dollar spült es jährlich in ihre Kassen. Sie beeinflussen Meinungen, Kaufentscheidungen und Wählerverhalten. Sie sorgen damit für eine veränderte Kommunikations-Infrastruktur auch in Europa. Das ist zugleich eine Operation am Nerv der Demokratie“, so der BDZV-Geschäftsführer.

Auf Twitter sammelten sich derzeit Hass- und Gewaltbotschaften an die agierenden Politiker, so Wolf. Zumindest vor künstlicher Dramatik scheuen die Aktivisten nicht zurück. So verkündete Wikipedia-Gründer Jimmy Page am Dienstag auf Twitter, das Online-Lexikon in Italien abgeschaltet zu haben, um die Nutzer-Aufmerksamkeit auf die „desaströse Richtlinie“ zu lenken und forderte zu Telefonanrufen bei den Abgeordneten auf. In Deutschland erhalten die Konzerne Schützenhilfe ausgerechnet aus Teilen der CDU. Deutschland wackelt ohnehin in Sachen Leistungsschutzrecht: Als der EU-Ministerrat im Mai beschloss, mit Kommission und Parlament über die endgültige Fassung der Reform zu verhandeln, stimmte Deutschland gegen das Verhandlungsmandat.

Während der CDU-Europaabgeordnete Axel Voss als Verhandlungsführer des Parlaments für die Richtlinie wirbt, unterzeichneten unter anderem Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (CSU) und der Düsseldorfer CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Jarzombek einen offenen Brief an die deutschen Europaabgeordneten, in dem diese aufgeordert werden, „gegen die Einführung von Upload-Filtern und auch gegen das Leistungsschutzrecht zu stimmen“. Und damit gegen den Entwurf der eigenen EVP-Fraktion.

Pikant: In dem Schreiben behaupten Bär und Jarzombek, CDU, CSU und SPD als Koalitionspartner der Bundesregierung hätten sich „gegen ein Leistungsschutzrecht und stattdessen für eine Stärkung der Rechtsposition der Verlage und eine Stärkung der Stellung von Rechteinhabern gegenüber Internetprovidern entschieden“. Der BDZV und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) warfen den beiden CDU-Politikern einen „unverfrorenen Manipulationsversuch gegenüber EU-Abgeordneten“ vor. Die Verbände verlangen nun eine Klarstellung der Bundeskanzlerin. BDZV-Geschäftsführer Wolff: „Dass der Koalitionsvertrag gegen das Leistungsschutzrecht spricht, ist nicht die Wahrheit. Das Gegenteil ist zutreffend: Denn der Koalitionsvertrag spricht sich an keiner Stelle gegen das Leistungsschutzrecht aus, sondern fordert vielmehr, die Position der Verleger auf europäischer Ebene durch eine eigene Rechtsposition zu stärken.“

VDZ-Geschäftsführer Stephan Scherzer: „Die einseitige und unzutreffende Argumentation von Frau Bär und Herrn Jarzombek ist ein Schlag ins Gesicht der Freien Presse.“

Unabhängige Kritiker der Richtlinie fürchten, künftig könne der freie Informationsfluss im Netz eingeschränkt werden. Hauptkritikpunkt sind die „Upload-Filter“.

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