Hoffnungsvolles 0:0 Löw erleichtert nach Neustart - Hummels: „Alle heiß“

München (dpa) - Aufatmen und sofort weitermachen: Nach der Mutmacher-Leistung gegen den Fußball-Weltmeister mussten sich Manuel Neuer und seine Kollegen an ihrem Erholungstag in München nicht verstecken.

Hoffnungsvolles 0:0: Löw erleichtert nach Neustart - Hummels: „Alle heiß“
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Erleichterung und auch eine Spur Genugtuung waren nach dem 0:0 gegen Frankreich zum Neustart nach dem WM-Debakel unverkennbar. „Wir wurden alle etwas schwächer geredet als wir sind in den letzten Monaten. Wir sind alle sehr heiß darauf, einigen Leuten zu zeigen, wie falsch sie damit liegen“, sagte Mats Hummels. Schon am Sonntag (20.45 Uhr) soll es im Test-Länderspiel gegen den WM-Teilnehmer Peru in Sinsheim eine Fortsetzung des Konsolidierungskurses der Nationalmannschaft geben.

„Es ging darum, den Leuten zu zeigen, dass wir im Nationaltrikot nicht auf Schüleraustausch unterwegs sind, sondern dass wir uns schon bewusst sind, dass wir die deutschen Fahnen vertreten und mit viel Herz auf dem Platz stehen“, sagte Thomas Müller und versprach: „Wir sind uns unserer Situation bewusst und werden sehr viel Energie in die nächsten Spiele reinlegen.“

Joachim Löw setzte im Teamhotel am Englischen Garten neben dem üblichen Regenerationstraining am Freitag noch eine Teamsitzung an, bevor er seinen Kader in ein paar Stunden Freizeit mit Zapfenstreich vor Mitternacht entließ. Redebedarf hatte der Bundestrainer also auch nach der couragierten Nullnummer gegen die Équipe Tricolore, die neben dem ersten Zähler in der neuen Nations League vor allem die beruhigende Gewissheit brachte, dass nach dem WM-Totalschaden die Weltspitze nicht enteilt ist.

„Mit dem Ergebnis und dem Spiel kann ich sehr gut leben“, sagte Löw nach der süßesten Nullnummer seiner langen Ära als Bundestrainer. Gegen Peru wird Löw den nächsten Meilenstein erreichen und mit seinem 167. Länderspiel als Chefcoach die Rekordmarke von Sepp Herberger einstellen. Solche Zahlenspiele sind für den 58-Jährigen aber derzeit sekundär. Wichtiger war für Löw nach den quälenden Sommerwochen die Erkenntnis, dass sein Reformprogramm auch gegen die unfassbare Wucht und Dynamik eines Kylian Mbappé mit den von ihm weiter dringend benötigten Ex-Weltmeistern gleich funktionierte.

„Das ist die Basis. Das ist alles kein Hexenwerk im Fußball. Es gibt Grundtugenden, die immer da sein müssen. Die Null muss nicht immer stehen, aber eine defensive Stabilität ist für jede Mannschaft der Welt tatsächlich die Grundvoraussetzung“, sagte Innenverteidiger Hummels, der im Gegensatz zur Weltmeisterschaft diesmal nicht von seinen Vorderleuten alleingelassen worden war.

Löws gelungene Taktik-Reminiszenz an die erfolgreiche WM 2014 mit vier Innenverteidigern in der Viererkette war vor allem der starken Offensive der Franzosen geschuldet. Ein anderer Kniff könnte Bestand haben, sehr zur Freude von Joshua Kimmich. Der Rechtsverteidiger wurde von Löw auf seine geliebte Sechserposition beordert und könnte diesen Platz anders als beim FC Bayern sogar dauerhaft einnehmen.

„Er war sehr präsent und sehr zweikampfstark. Er war viel am Ball und hat das gut gelöst. Es war sicherlich eine gute Lösung“, sagte Löw. Kimmich selbst berichtete, dass ihm ein breites Grinsen über das Gesicht gehuscht sei, als er von seiner Versetzung erfahren hatte.

Löw wollte nach der harschen Kritik nicht gegen die Skeptiker nachtreten. „Ich bin zufrieden mit der Leistung der Mannschaft. Das ist aber auch meine Erwartung an die Mannschaft, diese Bereitschaft zu sehen, dass sich alle Spieler reinhauen, ein anderes Auftreten zeigen“, sagte der Bundestrainer.

Die Herzen der Fans in der mit 67 485 Zuschauern ausverkauften Allianz Arena eroberte die DFB-Elf schnell zurück. Auch die TV-Quote von etwas mehr als elf Millionen Zuschauern im ZDF mit einem Marktanteil von 39,2 Prozent zeigte das unverändert große Interesse.

Für Ilkay Gündogan war die positive Reaktion der Fans auf seine Einwechslung ein ganz spezieller Moment. „Heute kann ich mit einem Lächeln nach Hause fahren“, erklärte er, nachdem es nur noch von ganz wenigen Fans Pfiffe gab. Nach der emotionalen Erdogan-Affäre scheint Normalität wieder möglich. Im Gegensatz zum im Zorn geschiedenen Mesut Özil will Gündogan unbedingt weiter für Deutschland spielen.

Bestätigt wurde Löw in seiner Haltung, dass ein radikaler Personalwechsel weder nötig noch zweckmäßig wäre. „Man hat gesehen, dass Verteidiger wie Mats Hummels, Jérôme Boateng oder auch ein Toni Kroos extrem wichtig sind. Es ist wichtig, solche Spieler in der Mannschaft zu haben, die mit ihrer Klasse dagegen halten können. Aber natürlich muss man nach und nach die Jungen forcieren, aber da haben wir auch Gelegenheit zu“, sagte Löw.

Die erste Chance für Personal-Experimente kommt gegen Peru. Dann könnte es die Länderspiel-Debütanten Nummer 97 bis 99 in der Amtszeit von Löw geben. Der Bundestrainer hatte schon vor dem Frankreich-Spiel angekündigt, Kai Havertz (19/Bayer Leverkusen), Nico Schulz (25/1899 Hoffenheim) und Thilo Kehrer (22/Paris Saint-Germain) in einer der beiden Partien einsetzen zu wollen. Gut möglich ist auch, dass Marc-André ter Stegen für seine Geduld mit einem Einsatz im Tor als erster Vertreter von Neuer belohnt wird.

Leroy Sané, der gegen Frankreich eingewechselt wurde, steht dann aber nicht zur Verfügung. Der Jungstar von Manchester City reiste in Absprache mit Löw aus privaten Gründen ab, wie der DFB mitteilte.

Schon im Oktober muss Löw dann wieder auf seinen Stamm bauen. Mit dem Remis ist in der Nations League vor den schweren und möglicherweise schon entscheidenden Auswärtsduellen in Holland und Frankreich alles offen. „Man wird sehen, wofür der Punkt dann gut ist. Für uns war wichtig, den ersten Schritt wieder auf die Fußballnation zuzugehen. Das haben wir geschafft, denke ich“, sagte Müller.

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