Tierkrematorien: Speedys allerletzte Reise

Immer mehr Menschen wollen ihre geliebten Haustiere nach deren Tod nicht zum Verwerter geben. Die Lösung sind spezielle Krematorien.

Schramberg. Der Hundehimmel fängt mit Bon Jovi an. „It’s My Life“ dudelt aus dem Lautsprecher im Empfangsraum: leise, keineswegs aufdringliche Radiomusik. An den mit Toskana-Motiven verzierten Wänden hängt ein selbst gemalter Golden Retriever, Autozeitschriften warten darauf, gelesen zu werden. Eine Atmosphäre wie im Wartezimmer, bei der nach gewisser Zeit ein unterschwelliger Duft in die Nase steigt. Eine Mischung aus Kamin, offenem Feuer und Süßholz.

So riecht es also, wenn ein Tierleben zu Ende geht. In Schramberg, einer Kleinstadt mit 21 000 Einwohnern im Schwarzwald, steigt eine helle Rauchwolke auf. Mitten im Gewerbegebiet steht eines von 16 deutschen Tierkrematorien — vor zehn Jahren gab es nur eine einzige solche Einrichtung in München.

Wer seinen Liebling nicht beim Tierarzt lassen möchte, bringt Wuffi zu Thomas Schindler. Ein kräftiger Händedruck, dann kommt der Kremierer zur Sache: Welche Urne darf’s sein? Zur Auswahl steht alles, was das Herz und Portemonnaie des Tierfreunds hergeben: Das kleinste Modell, in dem die Überreste eines Meerschweinchens Platz finden, kostet 30 Euro. „Nach oben hin gibt es fast keine Grenzen.“

Wer im Tierkrematorium ankommt, kann sich erst einmal akklimatisieren. Nach einer Tasse Kaffee geleitet Schindler seine Kunden in den Abschiedsraum mit direktem Blick auf den Ofen: ein nagelneues Modell, in dem von morgens bis abends bei 850 Grad die Flammen lodern. 1,3 Millionen Euro hat Schindler investiert, um das Krematorium zu realisieren. „Die Idee ist mir gekommen, als mein eigener Hund gestorben ist“, sagt der frühere Lagerist. Im Mai 2011 war Eröffnung — seitdem haben mehr als 1300 Hunde, Katzen, Meerschweinchen und Vögel ihre letzte Reise angetreten.

„Ich wollte meine Tapsi auf keinen Fall beim Tierarzt lassen“, sagt Tierliebhaberin Elke Hertel (46). Sie ist mit ihrer Neufundländer-Hündin direkt nach dem Einschläfern ins Tierkrematorium gekommen — gemeinsam mit einer Freundin, weil sie die 48 Kilo schwere Tapsi allein niemals tragen könnte. Ihr Trost: die beruhigenden Kerzen im Abschiedsraum, ein Gespräch mit Schindler, die letzten Minuten mit Tapsi. Nach zweieinhalb Stunden ist alles vorbei.

Hertel entscheidet sich für eine Urne, die genauso gut eine Keksdose sein könnte: auberginenfarben mit glatter Oberfläche. Wie teuer die Verbrennung ist, fragt Elke Hertel erst gar nicht, viel zu sehr ist sie von ihrer Trauer ergriffen. Am Ende bezahlt sie 299 Euro für die Einäscherung und noch einmal 125 Euro für die Urne. „Das ist mir Tapsi wert.“

Nicht alle reagieren im Tierkrematorium gefasst. „Vor kurzem war ein Zwei-Meter-Mann hier, der am Eingang noch Witze gerissen hat“, erzählt Schindler. „Als er dann den Abschiedsraum betrat, war plötzlich alles vorbei. Da ist er komplett in Tränen ausgebrochen.“

Der skurrilste Fall, den der Tierkremierer bisher erlebt hat, war die Beerdigung eines französischen Armeehundes. Zunächst musste Schindler zusammen mit dem Besitzer die französische Fahne über dem toten Tier spannen. „Das Heftigste war der Soldat, der vor seinem Hund salutierte.“ Erst nach dieser Prozedur durfte der Kremierer zur Tat schreiten.

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