Die Lust, auf der Insel zu arbeiten

Acht Jahre war Wilhelm Petzold für Geld zuständig. Die Finanzierung der Museumsinsel grenzt an ein Wunder.

Neuss. Wilhelm Petzold fungiert auf der Museumsinsel Hombroich als Geschäftsführer, was er nicht ist, denn er ist kein Angestellter. „Ich habe auf der Insel eigentlich nichts zu sagen, ich unterschreibe aber alles“, sagt er. Er macht es ehrenamtlich. Seit Januar 2003 ist er tagtäglich anwesend, meistens auch am Wochenende. Statt zu jammern sagt er, es sei ihm eine „Lust“, dort zu arbeiten. Nun sucht er zum Ende des Jahres einen Nachfolger, der für den Job allerdings bezahlt wird.

Er selbst leitete die Vertriebsorganisation bei Nixdorf, baute ein Beratungsunternehmen auf, das er verkaufte, als der Inselgründer Karl-Heinz Müller ihn rief. Der 71-Jährige ist nicht nur ein Idealist, sondern auch ein präziser Rechner. Dabei macht er das Unmögliche möglich.

Bei 43 Häusern, 72 Hektar Grundstücksfläche und einem Landeszuschuss von nur 450 000 Euro spielt er 80 Prozent der Kosten ein. Er sagt: „Die kulturellen Einrichtungen in NRW erwirtschaften durchschnittlich 17 Prozent und erhalten 83 Prozent vom Steuerzahler. Wir machen es umgekehrt.“

Die Finanzierung der Insel grenzt an ein Wunder. 70 000 Besucher kommen jährlich, mit dem Siza-Pavillon sind es 90 000. Sie zahlen im Schnitt 14 Euro. Dazu der Cateringbetrieb mit 400 000 Euro Umsatz. Das ist nicht viel. Die Kunstsammlung NRWdagegen braucht Zuschüsse in zweistelliger Millionenhöhe.

Petzold kalkuliert anders: Fest angestellt sind Kassiererin, Buchhalterin, Pressefrau, Cafeteria-Chefin und eine Allzweckdame, die vom Sekretariat bis zur Referentin und Organisatorin von Veranstaltungen alles abdeckt. Außerdem gibt es drei Gärtner und eine Hausmeisterin. Der Rest sind junge Künstler als Aushilfskräfte für die Stoßzeiten bei schönem Wetter. Das Programm machen die Künstler der Insel. Und beim Licht für die Museen richtet man sich in den Öffnungszeiten nach dem Tageslicht und schließt im Winter eher.

Die erstaunliche Erkenntnis des ehrenamtlichen Geschäftsführers: „Wir zahlen keine Rechnung normal.“ Als Beispiel nennt er den Abraham-Bau: „Den Beton gab es zum Selbstkostenpreis, den Edelstahl bekamen wir geschenkt. Der Bau hätte bislang 4,5 Millionen Euro gekostet. Wir haben aber lediglich 2,1 Millionen Euro gezahlt.“ Er brauche allerdings noch eine Million, um den Bau fertigzustellen, und einen sechsstelligen Betrag, um einige Verpflichtungen von Karl-Heinz Müller zu begleichen. Insgesamt habe die Insel jetzt eine finanzielle Situation, wie es sie zu Lebzeiten von Müller nie gegeben habe.

Das Besondere der Insel seien nicht nur Kunst und Natur, sondern die Menschen, die sich begeistern lassen. Ein Beispiel: „Wir haben drei Gärtner, aber 40 Ehrenamtliche für die Landschaft. Jeder Gärtner begleitet zehn bis 15 Leute, die Unkraut jäten, Bäume und Blumen pflanzen.“ Zehn Personen haben den Klostergarten finanziert. Sie pflegen ihn und halten ihn offen. Jeder Gast kann gratis Tee oder Gewürze, Obst oder Gemüse ernten.

Darin sieht Petzold ein Ideal: „Die Insel ist eine große, soziale Familie mit 120 bis 200 Ehrenamtlichen. Sie müssen den Menschen eine außergewöhnliche Qualität oder Originalität bieten, dann machen sie mit.“ Siza habe für seine Ausstellung nichts abgerechnet. Freunde hätten die Druckkosten für den Katalog, den Text für die Broschüre und die Möbel fürs Inventar bezahlt.

Und der Nachfolger? Petzold: „Er muss wissen, was auf ihn zukommt. Das ist kein Job, der von 11 bis 17 Uhr gilt. Der Geschäftsführer sollte in der Nähe wohnen, denn wenn etwas passiert, hängen die Leute an der Strippe. Noch ist er nicht gefunden.“

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