Adam Fischer dirigiert Haydn auswendig

„Die Schöpfung“ voller Lebendigkeit und Frische: Ovationen für den Maestro und die Düsseldorfer Symphoniker in der Tonhalle.

Adam Fischer dirigiert Haydn auswendig
Foto: Susanne Diesner

Düsseldorf. Am siebten Tag ruht Gott. Und so lässt Joseph Haydn im letzten Teil seiner „Schöpfung“ Adam und Eva das Hohelied der Ehe anstimmen. Wenn das „glücklich Paar“ in frühromantischer Manier von „holder Gattin“ und „dir gehorchen bringt mir Freude“ singt, ist dies für unser Geschlechter-Verständnis heute kaum nachvollziehbar, nur mit ironischem Lächeln zu ertragen. Genau das provoziert die Sopranistin Fatma Said (als Eva) beim Tonhallen-Publikum - mit einer leichten Verbeugung und Schmunzeln an der richtigen Stelle.

Eine Geste, die in einem Sakralwerk die Ausnahme sein dürfte. Hier, genauso wie in den ersten beiden Teilen, kommt das Haydn-Oratorium in der voll besetzten Tonhalle musikalisch auf den Punkt. Symphoniker in kleiner Besetzung, Musikverein (vielleicht in zu großer Besetzung) und drei exquisite Konzertsänger folgen Adam Fischer präzise und mit lebendigem Schwung in die sechs Schöpfungstage.

Sie stellen Pflanzen und Tierwelt, Wasser, Himmel und Erde in Wort und Klang plastisch dar. Realistische Klang-Bilder entstehen, wie wir sie früher mal als Kinder gehört haben. Vertreter der Evolution mögen da ja ihre Schwierigkeiten haben. Nicht selten gerinnt Haydns „Schöpfung“, immerhin eines der bedeutenden Oratorien der Wiener Klassik, zu einem zähen, ja langweiligen Erlebnis. Die Gefahren kennt Düsseldorfs Principal Conductor, der nicht nur in den letzten Tonhallen-Spielzeiten, sondern weltweit Modell-Interpretationen von Haydn-Symphonien geliefert hat und dafür mehrfach ausgezeichnet wurde. Seitdem er Chef der Symphoniker ist, gilt auch Düsseldorf - dank Fischers Mahler-Haydn-Zyklus - weniger als Mahler- denn als heimliche Haydn-Stadt.

Jedenfalls kommt unter Fischer keine Müdigkeit auf, weder auf dem Podium noch im Parkett. Er verzichtet auf altmeisterliche Allüre und extreme Langsamkeit. Nur in der C-Moll-Ouvertüre beschreibt er mit Nachdruck das Chaos vor der Schöpfung. Überwiegend sprühen dann die 34 Nummern der Schöpfungsgeschichte aus dem ersten Buch Mose vor Lebendigkeit und Frische. Der Maestro (er dirigiert auswendig!) breitet in den tonmalerischen Passagen - von der ‚Vorstellung des Chaos’ bis zum Terzett ‚Vollendet ist das große Werk’ - einen enorm vitalen Sound und eine Farbenpracht aus, die den Hörer über manche Längen in der Haydn-Partitur hinweg tragen.

Zwar wackeln die Hörner an manchen Stellen, doch sorgen Holzbläser und Streicher für satten Sound, Tempo und drängende Dynamik. Der Musikverein müht sich um schwebenden, leisen Klang, der sich langsam aufbaut. Die über 100 Sänger überzeugen jedoch weniger an den im Pianissimo gehauchten Stellen denn dort, wo sie mächtig aufdrehen können. In Akkorden, wie „Es ward Licht“, fühlen sie sich sicher.

Ein beinah himmlisches Vergnügen beschert die handverlesene Solisten-Schar. Allen voran die aparte Fatma Said, als Erzengel Gabriel und Eva. Mit ihrer leichten und rubinrot leuchtenden Stimme schwingt sich die deutsch-ägyptische Sopranistin in himmlische Höhen hinauf. Schwerelos wie ein Luftwesen gleitet die bildschöne Klang-Künstlerin durch die Koloraturen und besticht durch ihre weiche, runde Kopfstimme im Solo „Auf starkem Fittiche schwingt sich der Adler stolz. Der Ungar Miklós Sebstyén (als Erzengel Raphael und Adam) indes überzeugt durch seinen warmen, cremig fließenden aber auch agilen Bariton - besonders in dem Tongemälde mit neugeschaffenen Tieren, wie Löwe und Tiger, Insekten und Würmer. Dank seiner pointierten Darstellung wird’s hier recht humoristisch. Als Lichtgestalt kommt auch Uwe Stickert als Uriel über die Rampe. Nach anfänglichen Schwächen steigert er sich in der Glanz-Arie „Mit Würd’ und Hoheit angetan“ zu einem körperlos schwebenden Tenor, wie man ihn aus den Passionen von Bach kennt. Viel Jubel und Ovationen für alle, besonders für Maestro Fischer.

Info: Haydn/ „Schöpfung“: Heute noch einmal: 20 Uhr, in der Tonhalle Düsseldorf, Ehrenhof 1. Restkarten vorhanden, Telefonnummer 899 6123

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